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Tsunami-Gebiete auf Sulawesi
"Leute sagen, es ist Zombie-City"

Die Stadt Palu auf der indonesischen Insel Sulawesi liegt nach dem Tsunami in Trümmern. Den Menschen dort fehlt es an Wasser, Medizin und allem Lebensnotwendigen. Plünderungen und Überfälle sind an der Tagesordnung - die meisten Menschen wollen weg. Denn die Hilfsmaßnahmen kommen nur schwer voran.

Holger Senzel im Gespräch mit Sarah Zerback | 02.10.2018
    Die Menschen waten durch ein überflutetes Gelände in der Stadt; im Wasser schwimmen Trümmer.
    Die Menschen wollen alle weg aus der zerstörten Stadt Palu (Tatan Syuflana/AP/dpa)
    Sarah Zerback: Wie verlief die Anreise nach Sulawesi?
    Holger Senzel: Ich versuche seit drei Tagen, einen Flug nach Palu zu bekommen, aber auch gestern wurden wieder alle Flüge abgesagt. Die Fluggesellschaften fliegen dort nicht hin, weil sie sagen, sobald die Maschine auf dem Rollfeld aufsetzt, stürmen hunderte verzweifelte Menschen in Palu den Flughafen und wollen das Flugzeug erobern, weil sie hoffen, herauszufliegen. Die Menschen wollen alle weg. Auf dem Landweg ist es schwierig: es gibt kein Benzin, Autos werden auch überfallen. Es gibt Leute, die sagen, es ist Zombie-City in einigen Bezirken. Inzwischen herrscht an vielen Orten auch Anarchie. Menschen werden überfallen und ausgeraubt. Auch Plünderungen sind an der Tagesordnung, die Menschen holen Wasser aus Überresten von Läden. Die Polizei schaut zu, weil sie wissen, dass die Menschen Hunger haben. Es fehlt an allem Lebensnotwendigen.
    Zerback: Was können Sie über das Ausmaß der Zerstörung sagen?
    Senzel: Das ist gigantisch. Es sind schon Vergleiche gezogen worden mit der Tsunami-Katastrophe von Weihnachten 2004, was das Ausmaß der Zerstörung und die Gewalt der Flutwelle angeht. Die Stadt Palu sieht aus, als habe eine Riesenfaust eine ganze Stadt zusammengerührt zu einer grausamen Mixtur aus Steinen, Blech, Holz und Schlamm. Die Hilfsmaßnahmen kommen nicht gut voran. Die Armee hat schweres Räumgerät über den Seeweg gebracht. Es sind Tausende Menschen im Einsatz, die Hilfsgüter hineinbringen. Aber es reicht nicht. Jede menschliche Anstrengung wirkt zwangsläufig bescheiden angesichts dieser gigantischen Zerstörungskraft der Natur, die wir dort sehen. Die gesamte Infrastruktur ist zerstört. Es gibt weiter Nachbeben, deren Ausmaß derzeit noch nicht absehbar sind. Die Nerven der Menschen liegen blank. Sie sind panisch, schlafen meistens in Zelten vor ihren Häusern. Sie leben in einer Stadt aus Ruinen, es gibt nichts zu essen kein Wasser - und sie müssen ständig damit rechnen, dass die Erde wieder bebt.
    "Es ist damit zu rechnen, dass die Opferzahlen noch viel weiter steigen"
    Zerback: Haben die Rettungs- und Bergungskräfte inzwischen alle Gebiete erreicht?
    Zerback: Nein, was wir in Palu sehen, ist nur ein Teil. Es gibt weite Bereiche dieses Tsunami-Gebietes, zum Beispiel rund um Dongala, zu denen es bislang überhaupt Zugang gab für die Hilfsmannschaften, weil die Straßen kaputt sind. Es gibt auch keine Kommunikation, weil die Stromleitungen und Handymasten von der gigantischen Flutwelle niedergerissen wurden. Insofern ist damit zu rechnen, dass die Opferzahlen noch viel weiter steigen. Es sind gestern Massengräber ausgehoben worden für 1.300 Tote, aber die Regierung sagte, es könnten Zigtausende werden, die diesem Tsunami zum Opfer gefallen sind.