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Tsunami in Indonesien
"Der Vulkan ist nach wie vor aktiv"

Aktuell gebe es keine Frühwarnsysteme für untermeerische Hangrutsche wie den, der zu dem Tsunami in Indonesien geführt habe, sagte Erdbebenforscher Marco Bonhoff im Dlf. Einem Tsunami gehe aber meist ein Erdbeben voraus. Bei einer großen Erschütterung sollte man "vom Strand weg hoch in die Berge zu laufen".

Marco Bonhoff im Gespräch mit Michael Böddeker |
    Blick auf die zerstörte Gebäude und Autos in der indonesischen Küstenregion Banten am 23. Dezember 2018
    Das Tsunami-Frühwarnsystem des Geoforschungszentrums in Indonesien basiere auf Erdbeben mit einer Magnitude ab 6,5. Das werde vorerst auch so bleiben, so der Erdbebenforscher Marco Bonhoff im Dlf. (dpa/ NurPhoto / Dasril Roszandi)
    Michael Böddeker: Indonesien hatte 2018 immer wieder mit Unglücken und Katastrophen zu kämpfen. Der Tsunami am vergangenen Wochenende war besonders schlimm: Mindestens 430 Menschen kamen dabei ums Leben, auf den Inseln Sumatra und Java. Auslöser war ein Ereignis auf der Vulkaninsel Anak Krakatau. Die liegt in der Meerenge zwischen den beiden großen indonesischen Inseln. Jetzt haben die indonesischen Behörden die Warnstufe erhöht. Und auch der Sperrbereich um die Insel wurde ausgeweitet, von zwei auf fünf Kilometer. Darüber habe ich mit Marco Bohnhoff gesprochen, vom Deutschen Geo-Forschungs-Zentrum in Potsdam. Ihn habe ich gefragt, wo genau aktuell die Gefahr liegt?
    Marco Bonhoff: Die Gefahr liegt darin, dass der Vulkan durchaus auch stärker ausbrechen kann. Anak Krakatau, so der Name, sagt ja schon: Kind des Krakatau, und dort ist der Krakatau im Jahr 1883 ausgebrochen und regelrecht explodiert, was einer der größten Vulkanausbrüche der Menschheitsgeschichte war und damals schon zu mehreren zehntausend Todesopfern geführt hat. Wenn das heute passieren würde, wovon wir jetzt nicht ausgehen müssen, dann kann es auch zu stärkeren Tsunamis kommen. Das muss aber nicht der Fall sein, da der Vulkan gerade erst wieder im Wachsen ist und ja auch im Moment hauptsächlich untermeerisch angesiedelt ist.
    Frühwarnsystem "nicht konzipiert für Vulkanausbrüche"
    Böddeker: Nach dem Tsunami von 2004 wurde ja auch ein Frühwarnsystem eingerichtet für Indonesien, aber das hat bei diesem Tsunami anscheinend nicht funktioniert. Wie kommt das?
    Bonhoff: Das ist korrekt. Das hat deswegen nicht … Also es hat funktioniert, aber es war eben nicht konzipiert für Vulkanausbrüche. Das kann es auch nicht sein, denn das ist nahezu unmöglich, alle 130 aktiven Vulkane dort so zu überwachen, dass man dann auch lokale Tsunamis innerhalb weniger Minuten vorhersagen kann. Das Tsunami-Frühwarnsystem, was wir unter Federführung des Geoforschungszentrums dort installiert wurde, basiert auf Erdbeben, und zwar dahingehend, dass für jedes Erdbeben, was eine Magnitude von 6,5 oder mehr hat, ein Tsunamialarm ausgegeben wird, wenn dieser spezielle Mechanismus eines Erdbebens dann zu einem Tsunami führt. Das ist deswegen so konzipiert, , und 5,1 war tatsächlich ja jetzt auch das stärkste Erdbeben im Zuge des Vulkanausbruchs letzte Woche. Was hier passier ist, war ja, dass ein untermeerischer Hangrutsch zum Tsunami geführt hat, und dafür gibt es aktuell keine Frühwarnsysteme. Das wird vermutlich auch in naher Zukunft erst mal so bleiben.
    Böddeker: Könnte man denn jetzt aktuell den Anak Krakatau genau beobachten und dadurch noch etwas mehr Vorwarnzeit rausholen?
    Bonhoff: Das kann man tun. Vulkane kann man seismologisch überwachen, und es gibt es auch immer wieder im Vorfeld von Ausbrüchen Erdbebenserien, die auch als Indikator für bevorstehende oder möglicherweise bevorstehende Ausbrüche genutzt werden. Das ist im Fall des Anak Krakatau etwas schwieriger, weil es eben ein untermeerischer Vulkan ist. Das heißt, dort wird die Messtechnik entsprechend aufwendiger, aber auch dieser Vulkan wird ja überwacht, aber normalerweise führt eben ein, sage ich mal, kleinerer Vulkanausbruch nicht zu einem Tsunami, und das war jetzt am letzten Wochenende eher eine unglückliche Verkettung von verschiedenen Faktoren.
    Große Erschütterung als Warnsignal an Bevölkerung
    Böddeker: Wenn man in Strandnähe ist kann man oft bei Tsunamis auch vor Ort Warnsignale erkennen, nämlich dass sich das Wasser am Strand vorher zurückzieht. Das war hier aber auch nicht der Fall. Wie kommt das?
    Bonhoff: Das hängt davon ab, wie groß und wie regional ein Tsunami ist. Das muss nicht so sein. Gerade bei lokalen Tsunamis kann es auch so sein, dass tatsächlich das Wasser nicht erst zurückweicht, sondern zunächst mal, ich sage mal, die Bugwelle kommt, und dann gibt es auch am Strand keine Vorwarnzeichen, aber in der Regel ist es doch so, dass ein Tsunami nach einem großen Erdbeben entsteht, sodass man im Allgemeinen zunächst mal eine große Erschütterung hat, und das sollte dann schon Warnsignal sein, einfach vom Strand weg hoch in die Berge zu laufen.
    Böddeker: Jetzt im konkreten Fall, falls es dort wieder einen Ausbruch geben sollte oder ein Abrutschen der Insel und es dann wieder einen Tsunami gibt, dann dürfte es aber zumindest jetzt diesmal in den nächsten Tagen auch wieder keine Vorwarnung geben, oder wie ist da die Aussicht?
    Bonhoff: Das ist so, weil sich an der Messtechnik ja jetzt innerhalb der wenigen Tage nichts geändert hat, aber die Behörden vor Ort haben ja die Warnstufe erhöht und im Moment erst mal in bestimmten Bereichen davon abgeraten, sich überhaupt in Strandnähe aufzuhalten, einfach weil der Vulkan nach wie vor aktiv ist und es auch in den folgenden Tagen und Wochen zu weiteren Eruption en und damit möglicherweise auch zu Hangrutschungen kommen kann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.