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TTIP-Abkommen
"Keine Absenkung von Standards"

In Europa herrscht gegenüber dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA Skepsis. Gabriel Felbermayr vom Ifo-Institut geht nicht davon aus, dass Zugeständnisse beispielsweise bei genetisch veränderten Produkten geben wird. Das sei politisch nicht durchsetzbar.

Gabriel Felbermayr im Gespräch mit Jessica Sturmberg |
    Jessica Sturmberg: Gerade vor dem Hintergrund, dass man am Konjunkturhimmel inzwischen verstärkt dunkle Wolken aufziehen sieht, ist die Hoffnung groß, dass das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten beiderseits substanzielle Wachstumseffekte bringt. Die Verunsicherung der Verbraucher ist allerdings auch groß, gerade was den Agrarbereich angeht. Welche Standards würden wir da künftig haben? Nun hat das Münchner Ifo-Institut heute in Brüssel eine Studie vorgestellt, in der es unter anderem zu dem Schluss kommt, dass es durchaus ein Risiko der Nivellierung nach unten gibt. Einer der Autoren der Studie ist Professor Gabriel Felbermayr und ihn habe ich vor der Sendung gefragt: Inwieweit sieht er, dass man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt?
    Gabriel Felbermayr: Das stimmt für bestimmte Produktbereiche. Diese Problematik haben wir sicherlich beim Rindfleisch, wir haben eine solche Problematik bei Geflügel, wir haben das bei genetisch modifizierten Lebensmitteln. Aber in vielen anderen Bereichen sind die Dinge nicht so schwierig. Ich glaube nicht, dass man bei den sensitiven Themen aus europäischer Sicht den Amerikanern weit entgegenkommen kann. Das geht politisch nicht und das wollen die Europäer wahrscheinlich auch nicht. Aber es gibt andere Themen, wo man durchaus Kompromisse und Lösungen finden kann.
    Sturmberg: Wer profitiert denn eigentlich mehr, die USA oder die EU, wenn wir jetzt mal den Agrarsektor nehmen, von diesem Freihandelsabkommen TTIP?
    Felbermayr: Insgesamt sieht es so aus, als ob die USA mehr profitieren würden. Wir sehen in unseren Berechnungen einen Anstieg der Exporte der EU nach Amerika um 60 Prozent, aber einen Anstieg um 120 Prozent der Exporte der Amerikaner nach Europa. Dabei ist aber wichtig, dass man zwei Teilbereiche des Agrar-Food-Komplexes trennt, nämlich den Bereich agrarische Rohstoffe, also Weizen, Fleisch, Ölsaaten und so weiter, und den Bereich verarbeitete Lebensmittel, also processed food, wie wir sagen. Und was wir da sehen ist, dass Europa in dem Bereich verarbeitete Lebensmittel durchaus auch Marktchancen hat in den USA und dort wettbewerbsfähig ist. Im Bereich der agrarischen Rohstoffe sind die Dinge sehr viel schwieriger für Europa.
    Sturmberg: Die EU-Kommission beteuert ja immer wieder, dass die Standards, die hohen europäischen Standards nicht herabgesetzt würden. Teilen Sie diese Ansicht?
    Felbermayr: Das sind ja politische Aussagen. Wenn Karel de Gucht, noch Handelskommissar, so etwas sagt, dann glaube ich ihm - auch deswegen, weil die amerikanische Gegenseite diese Aussagen immer wieder bestätigt. Ich gehe nicht davon aus, dass es zu Absenkungen irgendwelcher Standards oder Zugeständnisse zum Beispiel bei genetisch modifizierten Organismen geben wird. Das ist politisch nicht durchsetzbar, das Parlament wird einen solchen Vertrag nicht akzeptieren, das glaube ich, und deswegen wird man hier in den Branchen, die davon betroffen sind, oder den Teilbranchen im Agrarbereich, protektionistische Maßnahmen behalten müssen, zum Beispiel mengenmäßige Beschränkungen amerikanischer Exporte, oder eine Weiterführung von Exportverboten im Bereich des hormonbehandelten Rindfleisches und so weiter. Ich denke, da wird es keine Zugeständnisse geben können, denn ansonsten würden diese kritischen Fragen im Agrarbereich das ganze Abkommen stürzen.
    Sturmberg: Woher weiß ich denn als Verbraucher, dass tatsächlich noch die hohen europäischen Standards wirken, oder ob ich jetzt doch mit einem Produkt zu tun habe aus den USA, das nicht mehr den Standards entspricht, die wir gewohnt sind?
    Felbermayr: Erstens mal möchte ich sagen, dass Lebensmittel aus den USA nicht unsicherer sind als Lebensmittel aus Europa. Das lässt sich anhand zum Beispiel von Krankheitsfällen, die durch Lebensmittelvergiftungen oder so hervorgerufen werden, nachvollziehen. Da gibt es keine maßgeblichen Unterschiede in der EU zu den USA. Es sieht nicht so aus, als ob die Lebensmittel gefährlich wären, die aus Amerika kommen. Es handelt sich mehr um eine Frage des Tierschutzes, des Landschaftsschutzes, um Zugänge zum ländlichen Raum. Da sind die europäischen Befindlichkeiten. Ich finde nicht, dass man sich so stark auf die Lebensmittelsicherheit versteifen sollte. Aber Sie haben natürlich recht: Es ist schwierig, an der Grenze zu kontrollieren, ob denn nun wirklich ein Produkt aus den USA den europäischen Standards entspricht, oder ob da jetzt nicht doch vielleicht hormonbehandeltes Rindfleisch dabei ist. Da wird man nachdenken müssen darüber, wie man an der Grenze checken kann oder suchen kann, dass da nicht etwas untergejubelt wird, das nicht importiert werden darf.
    Sturmberg: Professor Gabriel Felbermayr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.