Jessica Sturmberg: Autoindustrie und Maschinenbau, die beiden bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland würden TTIP äußerst gerne noch in diesem Jahr fertig verhandelt wissen. Wie sieht es bei den kleineren und mittelständischen Unternehmen aus.
Dass der eine oder andere Nischenanbieter, dem das Abkommen neue Absatzwege ermöglichen oder vereinfachen könnte. Denn es geht ja gerade um die Anpassung von Standards und die Vermeidung von doppelten Produkten für zwei verschiedene Märkte. Vor der Sendung habe ich darüber mit Guido Körber gesprochen. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens Code Mercenaries, ein Unternehmen, das Chips herstellt, die Tastaturen, Mäuse, Joysticks und andere Eingabegeräte zum Laufen bringen. Und zwar für die industrielle Anwendung. Das Unternehmen sitzt in Schönefeld, beschäftigt acht Mitarbeiter und exportiert weltweit, aber derzeit hauptsächlich in die EU.
Vor der Sendung habe ich mit Guido Körber gesprochen und ihn zunächst gefragt, mit welchen Hindernissen er im transatlantischen Geschäft zu kämpfen hat.
Guido Körber: Beispielsweise haben wir einen wasserdichten Beschleunigungssensor, der verwendet wird, um zum Beispiel Neigungswinkel oder Vibrationen an Maschinen zu messen, oder auch seismische Messungen zu machen, Erdbeben zum Beispiel zu messen. Und der wird von uns fertig montiert geliefert. Das heißt, der hat ein Gehäuse, der hat ein Kabel dran und ist direkt einsetzbar. Bei dem haben wir das Problem, um den amerikanischen Markt in der Breite angehen zu können, müssten wir Zertifizierungen machen lassen in den USA, die relativ teuer sind und die dann immer noch nicht unbedingt bedeuten, dass wir auch überall in den USA verkaufen können, weil diese Zertifizierungen sind nicht wirklich einheitlich geregelt in den USA.
Sturmberg: Dann müsste doch das Freihandelsabkommen TTIP für Sie jetzt eine richtig gute Sache sein, weil es doch für Sie einfacher werden müsste, in die USA exportieren zu können.
Körber: In der Theorie schon. In der Praxis sieht es dann allerdings so aus, dass die Dinge, die tatsächlich Probleme sind für den Export, einfach mit TTIP nicht gelöst werden können. Weil die nicht der Kontrolle der US-Regierung unterliegen. Es ist in den USA so, dass Sie keine zentrale Regelung für Produkte haben, wie wir das in Europa mit CE haben. Wir haben in Europa ja einen Satz an Regeln, der für die gesamte EU gilt, der verbindlich ist und auf den ich mich verlassen kann. Wenn ich ein Produkt herstelle, gucke ich nach, welche von den EU-Regeln treffen auf dieses Produkt zu, damit ich ein CE-Zeichen vergeben kann. Und dann muss ich mich an diese Sachen halten. In den meisten Fällen brauche ich an der Stelle keine Zertifizierung, sondern muss nur selber hausintern Tests machen beziehungsweise eine Risikobewertung machen und dann die Konformität deklarieren. In den USA ist das Problem, dass Sie keine einheitliche Regelung darüber haben, was für Regeln und Standards Produkte einhalten müssen.
Sturmberg: Jetzt könnte es aber doch sein, dass im Zuge von TTIP dieses genau geschieht, dass nämlich diese 50 Bundesstaaten sich dann doch auf einen einheitlichen Standard einigen.
Körber: US-intern keine einheitlichen Regelungen
Körber: Dieses grundsätzliche Problem betrifft ja nicht nur den Export in die USA, sondern es betrifft ja auch die US-Firmen in ihrem eigenen Heimatmarkt.
Sturmberg: Insofern könnte es ja ein besonderer Ansporn sein, dass das in sich mal geregelt wird, wenn es amerikanische Firmen genauso trifft.
Körber: Es wird seit Jahrzehnten versucht, das hinzubekommen. Und das ist bisher nicht gelungen.
Sturmberg: Und Sie glauben nicht daran, dass TTIP jetzt der Aufbruch sein könnte, dass das auch amerikaintern geregelt werden könnte?
Körber: Nein, definitiv nicht, weil das Problem ist, dass viel zu viele unterschiedliche Interessen dabei reinspielen. Weil es gibt da einen ganz großen Block, der ein großes finanzielles Interesse daran hat, dass sich nichts ändert. Und das sind die Labors, die die Zertifizierungen machen, und die ganzen Organisationen, die da dranhängen.
Sturmberg: Wenn man dieses ganze umfangreiche Zertifizierungsverfahren, das für jeden Bundesstaat dort unterschiedlich läuft, tatsächlich vereinheitlichen könnte, wenn das umgesetzt würde, wieviel mehr attraktiv wäre dann der amerikanische Markt für Sie?
Körber: Der amerikanische Markt wäre für uns dann deutlich attraktiver, weil deutlich leichter zugänglich. Aber ich verspreche mir für unseren Betrieb hier gar keine Vorteile durch TTIP, weil die Punkte, die wirklich problematisch sind, können dadurch nicht gelöst werden. Andere Sachen, die problematisch sind, werden gar nicht adressiert. Es wird zwar viel davon geredet, dass ein Bürokratieabbau passieren soll, dass Zölle abgeschafft werden sollen. Wobei im Bereich der technischen Produkte es so ist, dass ich da gar kein Problem damit hätte, wenn man sagen würde von heute auf morgen, wir streichen die einfach. Aber das Problem ist, dass im Bereich der Zollabwicklung, der Exportabwicklung nach wie vor der gleiche Aufwand bestehen bleiben wird. Das heißt, dass wir nach wie vor die normalen Zollabwicklungen machen müssen, um die Sachen in die USA zu exportieren.
Sturmberg: Hat man dann aus Ihrer Sicht etwas versprochen, was man gar nicht halten kann?
Körber: Ja. Eigentlich fast alles, was versprochen wurde, kann man nicht halten. Und die Dinge, die von Anfang an als negativ kritisiert wurden, sind eigentlich die, die übrig bleiben. Ich sehe es auch nicht als so sinnvoll an, ein Abkommen zu treffen, was im Endeffekt nur den großen Konzernen nutzt und dem Mittelstand und den Verbrauchern unterm Strich gar nichts bringt.
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