Die sächsische Staats- und Universitätsbibliothek an der TU Dresden: ansprechende, zweckmäßige Architektur. Bei schönem Wetter kann man auf dem Dach Kaffee trinken. Eric Hattke macht es sich an diesem Nachmittag auf einem der Liegestühle bequem. Hattke ist eines der Dresdner Gesichter im Kampf gegen Pegida. In der Stadt wird er erkannt, bekommt Lob für seine Arbeit. Aber es gibt auch Drohungen und das nicht zu knapp.
Seitdem er angekündigt hat, nicht ein weiteres Mal als Sprecher für das Dresdner Bündnis "Dresden für Alle" anzutreten, entdeckt er wieder Zeit für andere Dinge als den Kampf gegen Rechts:
"Ja, das ist doch eigentlich recht schön, dass man jetzt wieder Freiräume entdeckt, die nichts mit Politik oder organisatorischem Kram zu tun haben, sondern dass man auch irgendwie wieder Mensch ist. Auf einmal wieder in die Uni geht, in die letzte Reihe setzt und nach einer Dreiviertelstunde gelangweilt auf die Uhr kuckt und denkt: oh Gott, noch eine Dreiviertelstunde? Das ist schön, dieses Gefühl wieder ein bisschen Privatsphäre und Eigenleben zu haben."
Anpassen und mitlaufen, das ist nicht seine Sache, sagt Hattke, der sich selbst als ungeduldig beschreibt. Trotzdem ist es nicht so, dass er jetzt, wo er wieder mehr Zeit hat, sein Studium der Philosophie und Geschichte so schnell wie möglich beenden will. Hattke kritisiert das modularisierte Studium, gerade in seinen Fächern. Regelstudienzeiten lehnt er ab.
Erschreckende Erkenntnis: Politik ist vielen Menschen egal
"Ich bin so zufrieden, wie es ist. Ich durfte mit ganz tollen Menschen zusammenarbeiten. Vor allem durfte ich von dem Wissen und der Erfahrung von so vielen Menschen lernen und, das war ja ein Vertrauensvorschuss, der mir gegeben wurde. Dass ich in so kurzer Zeit so viele Dinge erfahren durfte, das ist schon ein ganz ganz großes Geschenk."
Wenn man ihn ärgern wollte, könnte man sagen: Der Student Eric Hattke hat in den vergangenen Monaten ein unbezahltes Praktikum gemacht. Er hat dabei unglaublich viele Softskills erworben. Indem er als Sprecher des Netzwerks Dresden für alle den Protest gegen Pegida mitgeprägt hat, ihm ein Gesicht gegeben hat. Jetzt freue er sich aber auf die intensive theoretische Beschäftigung an seiner TU.
Die TU-Leitung hat sich im Kampf gegen Pegida klar positioniert. Das aber gelte aber nicht für alle auf dem Campus:
"Eine der erschreckenden Erkenntnisse ist für mich, dass den Studierenden Politik in der Stadt und im Land größtenteils egal ist. Vielleicht nicht nur, was die Studierenden betrifft, sondern auch in der Stadt und im Freistaat allgemein."
"Demokratie lebt davon, dass wir uns positionieren"
Hattke, der über hochschulpolitische Arbeit zum Engagement bei Dresden für alle kam, kann sich weiterhin aufregen, wenn Fachschaftsräte oder Professoren sich als unpolitisch verstehen wollen.
"Das ist eigentlich der richtige Horror. Weil es erst mal banal ist. Du denkst erst mal, wenn sie nicht Position beziehen wollen, müssen sie es halt nicht. Aber eine Demokratie lebt halt davon, dass wir uns positionieren und dass wir uns einbringen wollen und dass es uns etwas angeht. Und wenn dir dann Menschen erzählen wollen, sie sind unpolitisch und kündigen damit den Vertrag auf, den man in einer Demokratie eingeht, und zwar sich zu engagieren. Das ist der Horror, der absolute Horror."
Hattke hat einen neuen Verein gegründet, mit Menschen, die er in seiner Zeit als Sprecher bei "Dresden für alle" kennengelernt hat: Atticus. Gemeinsam wollen sie konkrete Unterstützung für sozial Schwache leisten, aber auch politische Bildung. Denn die erlebe er in Sachsen immer wieder als besonders wenig ausgeprägt, sagt Hattke.
Mit den Menschen reden
"Wir wollen niederschwellig ansetzen, wir wollen die Menschen erreichen. Es bringt nichts, sich immer wieder nur mit den Menschen zu unterhalten, die eh schon davon überzeugt sind, dass Dresden offen und bunt sein kann. Sondern man muss auch mit den Menschen reden, die die Sorgen und Ängste haben, ohne diese gleichzeitig zu legitimieren. Diese berechtigten Sorgen fungieren manchmal als Schild und Schwert zugleich. Die Menschen reden im Moment zu wenig miteinander und hören auch noch viel weniger zu."