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Tuareg-Aufstand in Mali

Drei Jahre herrschte in Mali relative Ruhe, doch seit dem 17. Januar haben Tuareg-Rebellen mehrere Städte im Norden des Landes angegriffen. Einige Experten machen unter anderem das frühere Gaddafi-Regime indirekt für die aktuellen Unruhen in Mali verantwortlich.

Von Marc Dugge |
    Laut dem Roten Kreuz haben sich mindestens 30000 Menschen aus dem Norden Malis in andere Landesteile geflüchtet. Manche sind bei Freunden oder Bekannten untergekommen, andere müssen in teils notdürftig zusammengezimmerten Zelten übernachten. Viele haben auch in den Nachbarländern Zuflucht gesucht: Rund 9000 Menschen in Mauretanien, 3000 in Burkina Faso – und 10000 in Niger. Ama Amadou, Präsident der Nationalversammlung des Niger im Fernsehsender TV5:

    "Der Präsident und unsere Regierung haben immer gesagt, dass der Niger ein gastfreundliches Land ist. Wir nehmen alle bei uns auf, die direkt oder indirekt vom Krieg betroffen sind oder deren Leben bedroht ist. Auch wenn wir selbst in einer schwierigen Lage sind."

    Der Niger gehört immerhin zu den ärmsten Ländern der Welt. Unter den Flüchtlingen sind vor allem Angehörige der Tuareg. Sie sind vor den Kämpfen zwischen Rebellen und Armee geflohen. Und sie haben Angst, Opfer von Racheakten zu werden, büßen zu müssen für die Angriffe der Tuareg-Rebellen.

    Diese Angst ist nicht unbegründet. Nahe der Hauptstadt Bamako plündern Unbekannte Anfang Februar Häuser und Geschäfte von Tuareg-Familien. Anschließend brennen sie sie nieder.

    Die Wut richtet sich aber nicht nur gegen die Tuareg. Jeder Araber oder Afrikaner, der eine hellere Haut hat, ist potenzielle Zielscheibe. Malis Präsident Amadou Toumani Touré rief im Fernsehen zur Besonnenheit auf:

    "Jene, die einige Orte und Kasernen im Norden angegriffen haben, dürfen nicht verwechselt werden mit unseren Landsleuten, die sich zu Mali bekennen. Ob sie nun zu den Tuareg, den Arabern oder der Ethnie der Peul gehören. Sie besitzen die gleichen Rechte und Pflichten!"

    Mittlerweile hat sich die Lage rund um die Hauptstadt Bamako wieder beruhigt. Aber die Angst unter den Tuareg bleibt. Der Konflikt zwischen ihnen und der malischen Regierung ist schon Jahrzehnte alt. Die Tuareg werfen dem Staat vor, dass er ihre Kultur nicht anerkennt. Ihre neugegründete Rebellenbewegung MNLA fordert sogar einen eigenen Staat. Deswegen haben die Rebellen seit dem 17. Januar mehrere Städte im Norden Malis angegriffen. Bei Gefechten mit Regierungstruppen soll es Dutzende Tote gegeben haben – es ist aber schwierig, das zu überprüfen.

    Nach fast drei Jahren relativer Ruhe ist die Tuareg-Rebellion wieder aufgeflammt. Das sei kein Zufall, so der Pariser Afrika-Experte Pierre Boilley im Radiosender RFI:

    "Ein Grund dafür ist die Rückkehr von vielen Kämpfern aus Libyen. Diese Tuareg haben mehrheitlich Gaddafi unterstützt – es gibt aber auch einige, die für den Nationalen Übergangsrat gekämpft haben. Diese Kämpfer haben viele Waffen mitgebracht. Damit haben die Tuareg die Möglichkeit, einen militärischen Arm zu gründen, was früher viel schwieriger war."

    Der Sprecher der Rebellen Moussa Ag Adtahrer meint dagegen, bei den Heimkehrern handele es sich in erster Linie nicht um Gaddafi-treue Söldner.

    "Die Menschen, die heute für unsere Sache kämpfen, sind keine Söldner. Einige waren in der libyschen Armee, manche sogar hochrangige Militärs. Als sie aber gemerkt haben, dass das ein Krieg unter Libyern war, haben sie ihre Sachen und Waffen eingepackt und sind zu uns zurückgekommen."

    Der dünnbesiedelte Norden Malis war schon vor der Rebellion eine gefährliche Gegend. Kriminelle Banden treiben hier ihr Unwesen. Sie verdienen ihr Geld, indem sie Drogen, Zigaretten, Medikamente oder Menschen schmuggeln. Immer wieder werden hier Ausländer entführt, oft im Namen der Terrorgruppe "El Kaida im islamischen Maghreb."
    Nun sei die Gegend noch unsicherer geworden, so Philippe Hugon, Afrika-Experte am Politikinstitut IRIS in Paris.

    "Als die libysche Regierung auseinanderfiel, wurden etwa Raketenwerfer oder Panzerabwehrraketen mitgenommen! Alle möglichen Gruppen hatten Zugang zu diesen Waffen – darunter eben auch die Tuareg, die für Gaddafi gekämpft haben. Diese Leute stehen auf einmal mit leeren Händen da, denn sie können natürlich nicht in die malische oder libysche Armee integriert werden. Deswegen haben sie sich dieser Rebellion angeschlossen."

    Der Krieg gegen Gaddafi hat nicht nur die Machtverhältnisse in Libyen neu geordnet. Seine Auswirkungen bekommt die ganze Sahelzone zu spüren. Auf Jahre hinaus.