Archiv

Diagnostik
Elektronische Nase gegen Tuberkulose

Jedes Jahr sterben rund 1,5 Millionen Menschen an Tuberkulose, auch weil oft die zuverlässige Diagnostik fehlt. In Teilen Afrikas haben sich Ratten als Diagnosehelfer bewährt. Nun prüfen Forschende, ob eine elektronische Nase das Gleiche leisten kann. Doch das Projekt steht auf der Kippe.

Von Andrea Hoferichter |
Ratte schnuppert nach Tuberkulose Erregern
Die Riesenhamsterratten werden von Mitarbeitenden der belgischen Non-Profit-Organisation APOPO in Tansania trainiert (APOPO)
Manche mögen sich vor Ratten ekeln, doch in einigen afrikanischen Ländern gelten die Tiere als Helden. Sie helfen den Menschen nicht nur, explosive Minen aufzuspüren, sondern auch bei der Tuberkulosediagnose.

„Sie nennen sie selbst Heroe Rats aus verständlichen Gründen, weil sie sie so toll finden“, das sagt Stefan Schulz von der Technischen Universität Braunschweig. Trainiert werden die Riesenhamsterratten von Mitarbeitenden der belgischen Non-Profit-Organisation APOPO, mit Hauptsitz in Tansania.

Mehr zum Thema

Tuberkulose zwischen Fortschritt und Finanzierungslücken
Afrika: Wenn Covid-19 auf HIV, Tuberkulose und Malaria trifft
Wie die Corona-Pandemie die Ausbreitung der Tuberkulose befördert
Malaria, Aids, TBC: Vergessen in Zeiten von Covid-19
Afrikas vergessene Krankheiten: Typhus – Die Slum-Krankheit

Nach einem Jahr Ausbildung beginnt die Arbeit der Tiere in den Testzentren der Organisation. Dort beschnüffeln sie routinemäßig Proben aus dem Lungenauswurf von Patienten, den Mediziner Sputum nennen.
„Da läuft das also so ab, dass abends Motorradkuriere zu den großen Kliniken fahren und Sputumproben abholen. Und die kommen dann in das Rattentestcenter. Und dann können die Ratten innerhalb von 20 Minuten die 100 Proben abscannen und sagen, ob die gut sind oder nicht. Und am nächsten Morgen hat die Klinik dann das Ergebnis. Und das ist natürlich ein großer Geschwindigkeitsgewinn und ein großer Effektivitätsgewinn.“

Die Ratten liegen in rund 75 Prozent der Fälle richtig. Die Diagnose durch ein Mikroskop, die in vielen ärmeren Ländern üblich ist, liefert hingegen nur eine Trefferquote um 20 Prozent. Besonders zuverlässige genetische Tests wiederum sind in der Regel schlicht zu teuer.

Verräterischer Duftcocktail

Vor einigen Jahren hatte der APOPO-Forscher Georgies Mgode die Idee, den verräterischen Duftcocktail genauer unter die Lupe zu nehmen – und wandte sich an das Team aus Braunschweig. Das Ziel: ein Set aus Halbleitersensoren mit dem Geruch zu programmieren. Ein solches elektronisches Nase-Gerät wäre recht kostengünstig, schnell und zudem mobil einsetzbar, sagt Stefan Schulz. Der Weg dorthin sei aber steinig.

„Wir haben angefangen damit, Bakterien zu analysieren, Tuberkulosebakterien und deren Verbindungen, die die abgeben. Das kann man relativ gut machen. Man findet da auch bestimmte Verbindungen: Eine heißt Methylnikotinat zum Beispiel und auch ein paar andere, die sind relativ spezifisch für Tuberkulosebakterien. Also selbst mit unseren analytischen Methoden kann man sagen: Okay, dieses Bakterium macht einen Duft, der riecht nach Tuberkulose.“

Doch diese Erkenntnisse reichen nicht für eine Diagnose. Denn: Das Sputum wird vor jeder Analyse sterilisiert, was den Geruch schon verändert. Und es enthält viele weitere Duftnoten, die etwa von der Umgebung und der Ernährung eines Patienten abhängen.

Gasanalyse im Labor

Deshalb untersuchte das Braunschweiger Team im nächsten Schritt infizierte Sputumproben.

„Es gibt also zwei, drei Schritte. Wie man die Substanzen bekommt, das sieht man hier. Da haben wir hier - das ist jetzt nicht in Aktion – aber im Prinzip habe wir da so Pumpen und die transportieren Luft im Kreislauf über eine Probe. Und das sind hier im Prinzip ganz einfache Agarplatten, auf denen das Sputum drauf ist und das wird hier reingesetzt.“

Der Forscher stellt eine handtellergroße, flache Plastikdose mit gelblichem Inhalt in ein Glasgefäß, das an die Pumpe angeschlossen wird.
„Dann wird die Luft im Kreis gepumpt. Und in dem Kreislauf sitzt ein kleiner Filter, der ist sehr klein, etwa ein Milligramm Aktivkohle, also wirklich eine extrem geringe Menge. Und da werden die Substanzen, die flüchtigen Substanzen, die aus dem Sputum herausgetragen werden, über ein paar Stunden adsorbiert.“ 

Mit einem Lösungsmittel ziehen die Forschenden die Stoffe wieder aus dem Filter heraus, trennen sie in einem sogenannten Gaschromatographen und identifizieren einzelne Stoffe mithilfe eines Massenspektrometers. Zwischen 20 und 50 verschiedene Substanzen stecken im Gasgemisch, weiß Stefan Schulz inzwischen. Das Problem: Die Tests mit den Ratten zeigten zwar, dass eine kleinere Auswahl davon für die Diagnose genügt. Doch die entlarvende Mischung ist nicht immer gleich.
 

Projekt auf der Kippe

Um dieses Phänomen besser zu verstehen, würden die Forschenden gerne weitere Sputumproben aus Tansania analysieren. Aber das Projekt steht womöglich vor dem Aus, wegen einer menschlichen Tragödie: Der federführende Forschungspartner ist im Sommer an Corona gestorben.

„Da haben Sie jetzt keinen Nachfolger. Und dann ist es so, das muss man auch mal sagen, wie es in der Forschung halt ist: Jeder hat so seine persönlichen Präferenzen. Und ob der Nachfolger dieses Projekt auch gut findet?“ Das stehe nun völlig in den Sternen, sagt Stefan Schulz.

Der Organisation APOPO zufolge wird das Thema zunächst an der University of Manchester weiterverfolgt. Dort unterstützt die ehemalige Krankenschwester Joy Milne die Forschung, die, wie die Ratten, Tuberkulose am Geruch erkennt.