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Tuchel in Paris
Alles oder nichts

Nach seiner Auszeit wird es für den deutschen Fußballtrainer Thomas Tuchel jetzt wieder ernst. Sein neuer Klub Paris Saint-Germain startet in Frankreich in die neue Saison. Das Ziel ist klar: alle Titel, die es zu vergeben gibt. Inklusive Champions League.

Von Jürgen König |
    Sport Bilder des Tages THOMAS TUCHEL (ENTRAINEUR PSG) FOOTBALL : Paris SG vs Monaco - Trophee des Champions - 04/08/2018 AnthonyBIBARD/FEP/Panoramic PUBLICATIONxNOTxINxFRAxITAxBEL
    Thomas Tuchel steht vor seiner ersten Saison als Trainer beim französischen Klub Paris St. Germain. (Imago Sportfoto)
    Die Spannung ist groß in Paris. Wobei es weniger darum geht, ob PSG auch im nächsten Jahr die französische Meisterschaft und die beiden nationalen Liga-Pokale gewinnt - das gilt nicht nur bei den Vereinseigentümern aus Katar als Selbstverständlichkeit. Interessant ist einzig der Gewinn der Champions League, der, so die vorherrschende Meinung, mit dieser Mannschaft ja wohl Pflicht sei - alleine für die Stürmerstars Mbappé und Neymar hätte der Verein doch 400 Millionen Euro ausgegeben.
    Für Thomas Tuchel bedeutet das immensen Druck. Wie wird er mit einem wie Neymar zurechtkommen? Darüber rätselte die französische Sportpresse wochenlang, beschrieb Tuchel als gesundheitsbewussten Vegetarier und autoritären Perfektionisten, als detailverliebten Strategen und Ordnungsfanatiker, der mit einer "Ich-AG" wie Neymar seine liebe Not haben werde.
    Wie kommt Tuchel mit der "Ich-AG Neymar" klar?
    Doch schon in seiner Antrittspressekonferenz ging Tuchel sehr unbefangen auf die Personalie Neymar ein: "Er ist ein Künstler! Ein Ausnahmespieler, einer der besten der Welt! Und diese ‚Künstler‘ sind ganz besondere Spieler und brauchen eine besondere Behandlung - das ist ganz normal. Wenn wir es schaffen, um ihn herum eine Struktur aufzubauen, die es ihm ermöglicht, sein ganzes Talent zu zeigen - dann haben wir einen Schlüsselspieler, mit dem wir unsere Spiele gewinnen können."
    Im Verein war Tuchel zunächst umstritten. Nach französischer Tradition muss ein Trainer immer auch ein großer Spieler, etwa einer wie Zinedine Zidane, gewesen sein - derlei hat Tuchel nicht zu bieten, auch seine bisherige Trainerlaufbahn mutet aus französischer Sicht eher bescheiden an. Sportdirektor Antero Henrique wollte ihn nicht, gegen seinen Willen wurde Tuchel von oberster Stelle durchgesetzt: nicht vom katarischen Vereinspräsidenten, sondern vom Emir von Katar höchstselbst.
    Tuchel muss die Champions League gewinnen
    Der Auftrag ist klar: Sieg in der Champions League - genau das ist auch Tuchels Ziel. Einen ersten Titel hat er schon gewonnen: den Supercup - im Spiel gegen den AS Monaco, über das sich Tuchel mit frisch gelerntem Französisch freute: "Ich bin sehr zufrieden, wir haben gleich unser erstes Finale gewonnen! 4:0 - unglaublich! Und was so wichtig ist: Dass wir wie eine Mannschaft gespielt haben! Eine sehr junge Mannschaft noch dazu, die unter schlechten Bedingungen - es war unglaublich heiß - mit großer Intensität gespielt hat. Wie eine echte Mannschaft: Das war top!"
    Und auch der Trainer Tuchel erwies sich als echter Mannschaftstrainer, als er unmittelbar nach dem Gewinn des Supercups dem Ritual folgte, wonach Neuankömmlinge vor versammelter Mannschaft nach genossenem Champagnerbad ein kleines Ständchen zu geben haben: Tuchel tat es sogar vor den Augen der Presse.
    Sämtliche Freizeitaktivitäten sind verboten
    In seinen Arbeitsmethoden scheint Thomas Tuchel sich auch in Paris treu zu bleiben. Zusammen mit den deutschen Assistenztrainern Arno Michels und Zsolt Löw pflegt er eiserne Trainingsdisziplin, den Mannschaftsarzt, der früher gerne mit den Spielern zur Shisha griff, hat man verbannt. Nudelgerichte wurden vom Speiseplan genommen, Softdrinks und Süßigkeiten verboten. Selbst die Freizeitaktivitäten der Spieler wurden eingeschränkt; das Fachblatt "France Football" wusste zu berichten, Tuchel habe die Lieblingsbars und -clubs seiner Spieler aufgesucht, um das Barpersonal zu animieren, ihn sofort zu informieren, sobald seine Spieler sich dort trotz ausgesprochener Verbote blicken lassen würden.
    Auf dem Platz wiederum lässt er den Spielern mehr Freiheiten als sein Vorgänger Unai Emery: dessen striktes 4-3-3-System gab er auf, sprach stattdessen von "flexiblen Aufstellungen". Bei alledem tritt Tuchel freundlich auf, viele Spieler lobten ihn für sein "unwiderstehliches Lächeln", "Enthusiasmus und Energie" würde er ausstrahlen.
    So scheinen im Moment alle Beteiligten voller Vorfreude und Zuversicht zu sein. Nun muss die Mannschaft nur noch gewinnen: Meisterschaft, Pokal, Champions League. Schafft Tuchel das nicht, ist er seinen Job sofort wieder los. Sein Vorgänger hat es gerade erlebt.