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Tübinger Zentrum für Islamische Theologie
"Netzwerk" der Muslimbrüderschaft an der Uni vermutet

Am "Zentrum für Islamische Theologie" wird nicht nur zum Islam geforscht, hier werden auch unter der Aufsicht der Uni Tübingen islamische Religionslehrer und Imame ausgebildet. Ausgerechnet hier soll die als radikal-islamistisch geltende Muslimbrüderschaft tätig sein. Die Uni bestreitet das.

Von Thomas Wagner |
Eine Ausgabe des Koran (Quran) wirdaus einem Regal gezogen
Unterwandern Muslimbrüder das Zentrum für Islamische Theologie, ein Institut der Uni Tübingen? Diese Frage stellen Stephen Brauer, FDP und die "Stuttgarter Nachrichten". (dpa)
Stephen Brauer, hochschulpolitischer Sprecher der FDP Baden-Württemberg, brachte den Stein des Anstoßes so richtig erst ins Rollen – durch zwei parlamentarische Anfragen an das baden-württembergische Wissenschaftsministerium. Dreh- und Angelpunkt seiner Anfragen: Einzelne Dozenten des Zentrums zeigten eine erstaunliche Nähe zur radikalislamischen Muslimbrüderschaft.
"Dann kam ja raus, dass tatsächlich ein Dozent in Katar bei der Muslimbrüderschaft einen Vortrag gehalten hat. In der Antwort auf meine erste Anfrage war ja von dienst- und arbeitsrechtlichen Konsequenzen die Rede. Und in der zweiten Antwort auf meine zweite Anfrage war dann nur ein Diskussionsprozess die Rede, der angestoßen werden soll."
"Netzwerke" der Muslimbrüderschaft am Tübinger Institut?
Ein Diskussionsprozess als Folge seiner Anfrage ist dem FDP-Abgeordneten aber zu wenig, zumal nach Recherchen der "Stuttgarter Nachrichten" die Vorwürfe noch weiter gehen. So soll in einem Abendvortrag am Tübinger Zentrum ein führender Vertreter der Muslimbrüderschaft bereits im November 2015 vom "dekadenten Westen" und vom "Ende der Demokratie" gesprochen haben. Danach habe es, nach Angaben der "Stuttgarter Nachrichten", mindestens fünf weitere Veranstaltungen mit Referenten gegeben, die belegbar der Muslimbrüderschaft angehörten. Und: Ein Dozent stehe unter Beobachtung durch das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz. Das Blatt spricht von regelrechten "Netzwerken" der Muslimbrüderschaft am Tübinger Institut – ein Vorwurf, den das baden-württembergische Wissenschaftsministerium in seinen Antworten allerdings zurückweist. Die angesprochenen Vorträge hätten ausschließlich "rein wissenschaftlichen Interessen" gedient, heißt es da. Das Institut müsse sich auf wissenschaftlicher Ebene mit allen relevanten Strömungen des Islam auseinandersetzen, auch mit den radikal-islamischen.
Studierende und Mitarbeitende weisen Vorwürfe zurück
Dass aber radikalislamische Netzwerke auch bis in den Hochschulalltag hineingewirkt haben sollen, weisen viele derjenigen, die am Tübinger Institut studieren und arbeiten, zurück. Wie Kübra Kisa, die dort Islamische Theologie im europäischen Kontext studiert hat:
"Für mich ist das fremd. Ich habe das auch nie so wahrgenommen, als Studentin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Und wenn wir das irgendwie wahrgenommen hätten, hätten wir auch alle eingegriffen. Nicht einmal ansatzweise habe ich das gespürt hier am Zentrum."
Ähnlich sieht das auch der Leiter des Zentrums, Professor Erdal Toprakayaran:
"Wir haben, obwohl wir eigentlich auch schon davon ausgegangen sind, dass an dieser Behauptung nichts dran sein kann, haben wir das trotzdem nochmals überprüft. Wir haben mit allen Kollegen sehr ausführlich Gespräche geführt. Die Behauptungen so im Einzelnen haben sich nicht bestätigen lassen. Das waren größtenteils Spekulationen."
Erdal Toprakyaran
Professor Dr. Erdal Toprakyaran: "...in Zukunft nochmals genauer hinschauen...". (Erdal Toprakyaran)
Anfragen führten zu einer "internen Untersuchung"
Dennoch haben die parlamentarischen Anfragen des FDP-Abgeordneten und die Medienberichte zu einer, wie es in einer Rektoratsmitteilung der Uni Tübingen heißt, "internen Untersuchung" der Uni am Zentrum für islamische Theologie geführt. Dabei hätten sich aber keine belastbaren Belege für ein wie auch immer gewartetes "Netzwerk der Muslimbrüder" ergeben. Und dennoch: Um zukünftig Missverständnisse auszuschließen, sollen nun Leitlinien darüber erarbeitet werden, wer eingeladen wird und wer nicht. Erdal Toprakayaran:
"Wir haben auch beschlossen, dass wir in Zukunft nochmals genauer hinschauen, dass man Abstand lässt zu allen möglichen islamistischen Gruppierungen und sich auch nicht von denen vereinnahmen lässt, dass wir das jetzt auch für uns schriftlich ausarbeiten. Und wir haben auch einen Diskussionsprozess nochmals intern gestartet."
Ob das alles reicht, um das Institut aus der Schusslinie zu nehmen? Stephen Brauer, hochschulpolitischer Sprecher der baden-württembergischen FDP, will demnächst jedenfalls selbst mal in Tübingen vorbeischauen – gemeinsam mit weiteren Abgeordneten.
"Da muss man weiter dranbleiben. Wir wollen der Uni Tübingen und dem ZiT mit Sicherheit nichts Böses. Aber wir müssen jeden Verdacht vom Leib halten im Land Baden-Württemberg, hier unterwandert werden von den Muslimbrüdern."