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Türkei
Abzug der Patriot-Raketen als Zeichen an Erdogan

Das geplante Ende des Bundeswehr-Einsatzes in der Türkei begründet die Bundesregierung offiziell mit der veränderten Bedrohungslage durch syrische Raketenangriffe. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass Bundeskanzlerin Merkel nach den Angriffen auf PKK-Stellungen gerade nicht gut auf die Regierung Erdogan zu sprechen ist. Die Opposition begrüßt die Entscheidung als "richtigen und notwendigen Schritt".

Von Ivo Marusczyk | 15.08.2015
    Deutsche Soldaten stehen neben einem "Patriot"-Raketensystem in Kahramanmaras, Türkei. Im Hintergrund sind Berge zu sehen.
    Deutsche Soldaten stehen am 25.03.2014 in Kahramanmaras in der Türkei vor einer "Patriot" Feuereinheit, die vor Angriffen aus Syrien schützen soll (DPA / Bernd von Jutrczenka)
    Im Laufe der nächsten Monate wird die Bundeswehr ihre beiden Patriot-Staffeln aus der Süd-Türkei abziehen. Noch sichern rund 250 Mann die Stadt Kahramanmaras, aber die NATO stuft die Gefahr von Raketenangriffen aus Syrien inzwischen nur noch als sehr niedrig ein. Das Assad-Regime verfüge kaum noch über Raketen, die türkische Städte gefährden könnten und deshalb brauche man auch keine Raketenabwehr mehr aus anderen NATO-Staaten.
    Diese veränderte Bedrohungslage ist offiziell der einzige Grund für den Rückzug aus der Türkei. "Der Abzug der deutschen Patriot-Soldaten war überfällig, weil wir einen Einsatz gefahren haben, der inhaltlich ohne Sinn war und der vor allem sehr viel von unseren Soldaten und Soldatinnen abverlangt hat", sagt Florian Hahn, der verteidigungspolitische Sprecher der CSU.
    Offiziell gibt es keinen anderen Grund, ausgerechnet jetzt den Abzug anzukündigen. Aber es ist auch kein Geheimnis, dass die Bundesregierung gerade ziemlich schlecht auf die türkische Regierung und ihren Feldzug auf die Kurden zu sprechen ist. Die Zweifel am strategischen Sinn dieses Bundeswehreinsatzes gibt es schon länger. Trotzdem hatte die Bundesregierung daran bisher festgehalten - auch als Zeichen der Solidarität mit der Türkei. Doch gerade diese Solidarität fällt angesichts des türkischen Kurses immer schwerer.
    "Solidarität auch innerhalb der NATO ist keine Einbahnstraße. Wir erwarten, dass sich die Türkei auch gegen unsere Feinde, beispielsweise den Islamischen Staat stellt. Da gibt es sicherlich ein paar Fragen, die zu beantworten sind."
    Zum Beispiel die Frage, warum die Türkei jene kurdischen Gruppen angreift, die an anderer Stelle gegen den IS kämpfen. Für Florian Hahn ist die Antwort klar: "Dass offensichtlich die Türkei aus innenpolitischen Gründen einen Bürgerkrieg mit der PKK in Kauf nimmt."
    Die Entscheidung zum Abzug wäre also auch als deutliches Zeichen an Präsident Erdogan zu werten. Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD sagt noch deutlicher, dass es nicht nur um die veränderte Bedrohungslage geht. "Das ist sicherlich nur einer der Gründe. Die Bundesregierung benennt den. Ich bin der Auffassung, dass wir der Türkei ein klares Signal geben müssen. NATO heißt auch, eine Wertegemeinschaft zu sein. Das Bombardement auf PKK-Gruppen ist kontraproduktiv in unserem gemeinsamen Kampf gegen den IS-Terrorismus. Und die Türkei sollte dies stoppen."
    Mit etwas gutem Willen kann man das sogar zwischen den Zeilen der Stellungnahme von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen herauslesen. Sie betont, die Bedrohung in dieser krisengeschüttelten Region habe einen anderen Fokus erhalten. Die Bedrohung gehe heute vom Islamischen Staat aus. Und dann verweist sie darauf, dass die Bundeswehr in Erbil im Irak auch kurdische Einheiten ausbildet und unterstützt.
    Deshalb versteht auch die Opposition den Schritt der Bundesregierung als deutliche Distanzierung von Präsident Erdogan und begrüßt die Entscheidung. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth, die gerade selbst in der Türkei unterwegs ist, sagt: "Die inoffizielle Begründung und der Hintergrund sind ganz eindeutig, dass Erdogan einen Kurs vertritt und betreibt, der brandgefährlich ist für die ganze Region. Da ist es richtig, dass es ein Zeichen gibt, dass die Solidarität an diesem Punkt definitiv vorbei ist."
    Spätestens im Januar 2016 soll der Abzug abgeschlossen sein, denn dann läuft das Bundestagsmandat aus.