Der Istanbuler Abgeordnete Metin Külünk veröffentlichte auf Twitter einen entsprechenden Antrag, der mit dem Eingangsstempel der AKP-Fraktion versehen ist. Zur Begründung heißt es dort: "Das koloniale Deutschland hat zwischen den Jahren 1904 und 1907 in Südwestafrika eine organisierte Vernichtungspolitik gegen das Volk eines Landes betrieben, das heute als Namibia bekannt ist."
Deutschland hatte lange gebraucht, um die Massaker an den Zehntausenden Herero als Völkermord zu bezeichnen. Erst im vergangenen Juli hatte das Auswärtige Amt eine neue Sprachregelung festgelegt, die lautet: "Der Vernichtungskrieg in Namibia von 1904 bis 1908 war ein Kriegsverbrechen und Völkermord."
Die Forderung des AKP-Abgeordneten, im türkischen Parlament darüber zu beraten, kann als Reaktion auf die Resolution des Bundestags zum Völkermord an den Armeniern durch die Türkei betrachtet werden. Die Abgeordneten hatten am vergangenen Donnerstag fast einstimmig beschlossen, die Ermordung Hunderttausender Armenier im Osmanischen Reich vor mehr als 100 Jahren als Völkermord zu bezeichnen. Daraufhin hatte Erdogan kritisiert, Deutschland sei "das allerletzte Land", das über einen "sogenannten Völkermord" der Türkei abstimmen solle. Deutschland solle erst Rechenschaft über den Holocaust und über die Vernichtung von mehr als 100.000 Herero ablegen.
Abgeordnete werden zunehmend bedroht
Und Erdogan legte verbal nach: Er griff die türkischstämmigen Abgeordneten an: Sie hätten "nichts mit Türkentum gemein". Ihr Blut sei verdorben. Außerdem dienten die Parlamentarier der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK als verlängerter Arm in Deutschland. "Manche sagen, das sind Türken - was für Türken bitte?" fragte er und sprach sich dafür aus, den Parlamentariern Blutproben entnehmen zu lassen.
Die Abgeordneten wurden jedoch nicht nur von der türkischen Politik kritisiert - sie wurden auch in den sozialen Medien bedroht. So kursierte ein Steckbrief der betroffenen Politiker, der sie vor einer Rückkehr in die Türkei warnte. Grünen-Chef Cem Özdemir machte am Wochenende zunehmende Drohungen gegen seine Person und die deshalb verstärkte Polizeipräsenz vor seiner Wohnung öffentlich.
Die Bundesregierung stellte sich vor die bedrohten Abgeordneten: "Wenn jetzt einzelne Abgeordnete des Deutschen Bundestags in die Nähe des Terrorismus gerückt werden, so ist das für uns in keiner Weise nachvollziehbar", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
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