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Türkei-Besuch
Außenminister Maas will sich für inhaftierte Deutsche einsetzen

Bundesaußenminister Heiko Maas will bei seinem Türkei-Besuch die Situation der dort inhaftierten deutschen Staatsbürger ansprechen. Die Fälle belasten weiterhin die deutsch-türkischen Beziehungen. Die Türkei geht allerdings nach wie vor hart gegen Kritiker vor.

Von Karin Senz | 04.09.2018
    14.03.2018, Berlin: Außenminister Heiko Maas (beide SPD) hält vor Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes seine Antrittsrede. Maas wurde zuvor im Bundestag vereidigt. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
    Ein Teil des beginnenden deutsch-türkischen Besuchsreigens: Bundesaußenminister Heiko Maas (dpa-Bildfunk / Kay Nietfeld )
    Enver Altayli ist 73. Er hat die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft, schreibt Bücher und betreibt mit seiner Familie eine Ferienanlage in Antalya. Für die Türkei ist er allerdings ein Terrorverdächtiger. Seit einem Jahr sitzt er in Untersuchungshaft – in Einzelhaft.
    "Warum wird er in Einzelhaft gehalten? Er wird als gefährlicher Untersuchungsinhaftierter kategorisiert, momentan. Aber es gibt keinen spezifischen Grund, warum er für gefährlich gehalten wird. Das er in Einzelhaft steht sieht selbst wie eine Strafe aus oder wie ein Druckmittel."
    Enver Altaylis Tochter Dilara Yilmaz kann nur spekulieren. Ihr Vater arbeitete in den 70er-Jahren für den türkischen Geheimdienst. Möglicherweise hat seine Festnahme damit was zu tun, sagt sie:
    "Anders könnte man denken, dass er unbequem war, weil er die Linie der türkischen Regierung nicht unterstützt hat. Öffentlich hat er nicht darüber gesprochen, aber es war schon klar, dass er dagegen war, was momentan vorgeht, an Menschenrechtsverletzungen."
    Immer noch keine Anklageschrift
    Offenbar wird ihm vorgeworfen, er habe die Gülen-Bewegung unterstützt. Sicher wissen weder Enver Altayli noch seine Familie das nicht. Es gibt immer noch keine Anklageschrift. Auch Deniz Yücel mußte ein Jahr auf seine Anklageschrift warten. Dann kam er urplötzlich frei und durfte ausreisen. Sein Prozeß geht aber im Dezember weiter - der eine Prozeß. Er selbst hat auch eine Klage in der Türkei angestrengt. Denn er will für die Haftzeit entschädigt werden. Yücels Anwalt Veysel Ok sieht darin einen Präzedenzfall:
    "Hier geht es nicht um Geld; nicht darum, dass sich Deniz dadurch bereichert, oder sein Blatt. Es geht darum, dass sich ein Journalist wegen seiner unrechtmaessigen Inhaftierung mit dem Staat auseinandersetzt. Wir sehen durchaus eine Chance."
    Der Prozeß beginnt am 25. September. Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen sagt, die Klage kommt genau zum richtigen Zeitpunkt:
    "Gerade im Lichte, dass ein deutsch-türkischer Besuchsreigen beginnt, mit dem Besuch von Herrn Maas, mit dem Besuch von Herrn Erdogan, mit dem Besuch von Herr Altmaier. Nicht aus einer juristischen aber aus einer politischen Sicht ist es, glaube ich, gerade jetzt ein gutes und richtiges und wichtiges Zeichen, diese Klage einzureichen."
    Die Fälle müssten gelöst werden
    Außenminister Heiko Maas hat angekündigt, die Fälle der sieben Deutschen anzusprechen, die wegen Terrorvorwürfen im Gefängnis sind. Die Fälle müssten gelöst werden, wenn sich die deutsch-türkischen Beziehungen wieder normalisieren sollen. Innenpolitisch geht die Türkei allerdings nach wie vor hart gegen Kritiker und Oppositionelle vor, bestätigt Veysel Ok:
    "Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sprechen: Ich verteidige gegenwaertig elf inhaftierte Journalisten und alle meiner elf Mandanten befinden sich aufgrund journalistischer Taetigkeiten im Gefaengnis. Und sie sind noch immer nicht auf freiem Fuß. Einige von ihnen wurden bereits verurteilt, darunter zu zehn Jahren Haft."
    Bis zu 20 Jahre Haft drohen Mesale Tolu. Die deutsche Übersetzerin und Journalisten durfte zwar inzwischen ausreisen. Aber auch ihr Prozess geht weiter. Sie will – im Gegensatz zu Deniz Yücel - zum nächsten Verhandlungstag Mitte Oktober in die Türkei zurück kehren. Dass sie wieder in Haft kommt, halten Experten für eher unwahrscheinlich. Yücels Anwalt will das aber nicht ausschließen:
    "Ein Risiko besteht für alle, die in der Türkei leben, nicht nur für Meşale oder mich selbst. Ich kann deshalb nur sagen: Jeder entscheidet für sich selbst."
    In Antalya hofft die Familie von Enver Altayli auf den Besuch von Außenminister Maas. Inzwischen wäre sie schon damit zufrieden, wenn er erreicht, dass sein Fall endlich vor einem Gericht verhandelt wird. Der der 73-jährige ist gesundheitlich angeschlagen, hat stark abgenommen, erzählt seine Tochter traurig. Bei jedem Besuch sehe er älter aus.