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Türkei
Die Bundesregierung im Dilemma

Die Bundesregierung begrüßt das Vorgehen der Türkei gegen die Terrormiliz IS. Allerdings appelliert sie an Ankara, am Friedensprozess mit der PKK festzuhalten. Derzeit bombardiert die Türkei Stellungen der verbotenen Organisation im Nordirak. Die Linkspartei kritisiert Präsident Erdogan deshalb scharf.

Von Johannes Kulms |
    Türkische Soldaten auf einem Panzer beobachten die Grenze zu Syrien.
    Ein türkischer Panzer nahe der Grenze zu Syrien. (AFP / Aris Messinis)
    Fast genau ein Jahr ist es her, da traf der Deutsche Bundestag eine viel diskutierte Entscheidung: Die Kurden im Nordirak erhalten Waffen und Munition aus Deutschland - und damit eine Unterstützung im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. "Das immense Leid vieler Menschen schreit zum Himmel. Und unsere eigenen Sicherheitsinteressen sind bedroht", warb damals Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Zustimmung.
    Im Zuge der Waffenlieferungen an irakisch-kurdische Peschmerga im Nordirak erhielt auch die Diskussion darüber neue Nahrung, wie man in Deutschland mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK umgehen solle. Die PKK ist seit 1993 in Deutschland verboten. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.
    "Im Wesentlichen ist es so, dass zu der PKK zum Zeitpunkt des Verbotes Erkenntnisse vorlagen, nach denen die PKK strukturell als Mittel der politischen Auseinandersetzung einsetzt. Und damit die Voraussetzungen für ein Verbot, dass ja im Übrigen nicht nur für Deutschland gilt, sondern EU-weit, erfüllt. Und die Voraussetzungen sind nach dem letzten Stand, der noch ziemlich jung ist, nach wie vor gegeben. Und diese Voraussetzungen, die ich gerade in groben Bezügen beschrieben habe, für andere Gruppen nicht gegeben", stellt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums an diesem Montag klar. Und versucht damit ein Dilemma zu erklären, in dem sich die Bundesregierung befindet.
    Spagat zwischen Ankara und den Kurden
    Seit Tagen fliegt die Türkei nicht nur Luftschläge gegen den Islamischen Staat. Ebenso bombardiert sie Stellungen der PKK im Nordirak. Die Bundesregierung versucht einen Spagat gegenüber der Regierung in Ankara - und den Kurden in der Türkei und im Nordirak.
    "Man kann in Kürzestfassung sagen: Die Bundesregierung begrüßt, dass die Türkei den Kampf gegen den IS aufgenommen hat. Und es ist das Recht der Türkei, gegen die PKK vorzugehen, wenn diese terroristische Aktivitäten entfaltet. Und gleichzeitig hält es aber die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung für sehr wichtig, dass dieser Entspannungsprozess fortgesetzt wird mit der PKK trotz aller Schwierigkeiten", sagt der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter.
    Ähnlich formuliert es auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Cavusoglu. Dieser habe Steinmeier zugesichert, dass der Friedensprozess fortgesetzt werde, heißt es in einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes.
    "Eine Provokation seitens Erdogan"
    Sevelen Dagdelen, Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke für Internationale Beziehungen, greift die Regierung in Ankara scharf an: Solange es einen Waffenstillstand gegeben habe, hätte es kein Sicherheitsrisiko seitens der PKK gegeben:
    "Ich befürchte, dass es auch jetzt ein Kalkül ist, eine Provokation seitens Erdogan, dass die PKK jetzt wieder stärker an die Waffen greift. Und das wäre natürlich ein ganz, ganz großer Schlag zurück sozusagen in frühere Zeiten, und das würde noch mehr Chaos bringen in der Türkei, aber auch für die ganze Region. Und ich hoffe eben, dass die Verantwortlichen bei der PKK das nicht machen", sagte Dagdelen im Deutschlandfunk.
    Dass die von Deutschland an die Peschmerga im Nordirak gelieferten Waffen in zu den Kurden in der Türkei gelangen könnten, weist ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums derweil zurück:
    "Wir haben dort die Endverbleibserklärung. Und die Endverbleibserklärung ist auch unterschrieben. Auch von unseren Partnern dort in der Region. Und damit ist das sichergestellt."