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Türkei
"Die haben einen regelrechten Mob auf uns gehetzt"

Seit dem Putschversuch geht die türkische Regierung massiv gegen Verdächtige vor. Am Montag wurden 42 Journalisten verhaftet. Das Satiremagazin "Leman" leidet schon lange unter Drangsalierungen der Regierung - nach dem Putschversuch bekam die Redaktion die Staatsmacht besonders zu spüren.

Von Daniel Heinrich |
    Die großen Istanbuler Satiremagazine: "Leman" und "Penguen" karikieren die Anweisung an Erdogans Bodyguards, kritische Demonstranten durch lautes Schreien selbst zu übertönen.
    "Leman" und "Penguen" sind die beiden großen Istanbuler Satiremagazine. (Deutschlandradio / Luise Sammann )
    Zafer Aknar empfängt in einem Altbau in der Nähe der Istiklal-Straße. Im Zentrum Istanbuls. Aknar hat viel zu erzählen. Er ist der Chefredakteur von "Leman", einem der erfolgreichsten Satiremagazine der Türkei. Die Ereignisse nach der Coupnacht - die wird der Journalist nie vergessen:
    "Es hat ungefähr drei Tage gedauert. Dann bekamen wir es zu spüren. Wir wollten unsere neueste Ausgabe gerade ausliefern lassen. Noch bevor wir das machen konnten, haben einige Medienunternehmen, die der Regierung nahestehen, unsere Adresse veröffentlicht. Die haben einen regelrechten Mob auf uns gehetzt. Die haben denen gesagt: Ihr könnt hier alles machen. Ihr braucht keine Konsequenzen zu fürchten."
    Armutszeugnis für freie Berichterstattung
    So wie Zafer Aknar und seinen Kollegen geht es vielen Journalisten in der Türkei. Die meisten von denen, die kritisch berichten, bekommen es an der ein, oder anderen Stelle mit der Staatsmacht zu tun. Andrew Gardner leitet das Büro von Amnesty International in der Türkei. Draußen. Im Hinterhof seines Büros, unter freiem Himmel stellt er freier Berichterstattung im Land ein Armutszeugnis aus:
    "Die Situation für Journalisten war schon vor dem Coup ziemlich schlimm. Es gab Razzien gegen Medienunternehmen, die einmalig in der Geschichte waren. Da ging es vor allem um Medienunternehmen, die der Gülen-Bewegung nahe standen. Manche TV-Sender wurden ganz geschlossen, in andere setzte man kommissarische Leiter ein, die das Unternehmen dann zerschlugen."
    "Ehrlich gesagt habe ich momentan ziemlich Angst"
    Nach dem Coup ist das alles nur noch schlimmer geworden. Senel Karatas arbeitet für IHD, eine Nichtregierungsorganisation in der Nähe des Taksim-Platzes in der Innenstadt von Istanbul. Ihre Organisation kümmert sich um eine ganze Bandbreite an Bürgerrechtsverletzungen. Kurden. Misshandelte Soldaten. Zynisch gesprochen: Es gibt viel zu tun dieser Tage. Die Situation für Journalisten im Land: für sie eine Katastrophe:
    "Die Situation für Journalisten ist eines der größten zivilgesellschaftlichen Probleme, mit denen die Türkei zu kämpfen hat. Schon vor dem Coup haben wir für Meinungs- und Pressefreiheit gekämpft. Da gibt es soviel zu tun in der Türkei. Ehrlich gesagt habe ich momentan ziemlich Angst. Die Regierung hat zwar gesagt. Die momentane Situation wird die Lage der Journalisten nicht beeinflussen. Aber ich traue dem Ganzen überhaupt nicht. Schon jetzt schließen sie konstant kritische Websites, sie verhaften Journalisten ganz offen. Ich glaube, das sagt schon alles über ihre Pläne aus."
    Ein wütender Mob tobte vor den Redaktionsräumen
    Auf welche Art und Weise sich die Haltung der Regierung "auf der Straße" auswirken kann, das erfuhren "Leman" und Zafer Aknar am eigenen Leib. In derselben Nacht, als das Cover ihres neuen Magazins über soziale Netzwerke verbreitet wurde. Ein wütender Mob tobte vor ihren Redaktionsräumen:
    "'Wisst ihr denn nicht, was mit den Leuten von Charlie Hebdo passiert ist', schrien sie. 'Wollt ihr wirklich, dass Euch dasselbe passiert?' In dieser Nacht hatten wir Glück. Die Polizei hatte die Straße abgeriegelt. Darüber haben wir uns natürlich gefreut. Als dann aber die Polizei in unsere Druckereien gefahren ist, um die Auslieferung unserer Magazine eigenhändig zu stoppen - da wussten wir, was die Stunde geschlagen hat."
    Er selber habe eines der letzten Magazine der "Putsch"-Ausgabe ergattern können. Die restlichen Ausgaben habe die Polizei mitgenommen. Den Humor verderben will er sich trotz der Situation trotzdem nicht. Humor, so Aknar zum Abschluss, sei schließlich die beste Art um mit dieser ganzen Situation umgehen zu können.