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Türkei
Die Zeichen stehen auf Kampf

In der Türkei dauert die Offensive der Armee gegen die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK an. Die Menschen in den umkämpften Städten leiden unter der Gewalt, Zehntausende sind auf der Flucht. Von einem Friedensprozess mag keiner mehr sprechen.

Von Thomas Bormann | 21.12.2015
    Bewaffnete und Uniformierte in Istanbul
    Proteste von Kurden in Istanbul wurden von der Polizei niedergeschlagen (picture alliance/dpa/Sedat Suna)
    Cizre und Silopi, Nusaybin und Diyarbakir - diese Städte sind in der vergangenen Woche zu Schlachtfeldern geworden. Tag und Nacht peitschen Schüsse durch die Luft. Die türkische Armee und die kurdische PKK bekämpfen sich mit gnadenloser Härte. Allein in der Stadt Cizre wurden in der vergangenen Woche 78 Menschen getötet. Es waren Terroristen, sagt die Armee. Hier sterben auch Zivilisten, beklagen Einwohner.
    Vorbei ist der Waffenstillstand zwischen Armee und PKK, vorbei ist der Friedensprozess, der bis zum Sommer dieses Jahres soviel Hoffnung gab. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu ließ bei einer Rede am Wochenende keinen Zweifel: Die Zeichen stehen jetzt auf Kampf.
    "Sie glauben, sie könnten unseren Willen brechen", sagt Davutoglu und meint damit die PKK. Das werde aber nicht geschehen. "Wir werden unseren Kampf Tag und Nacht fortsetzen, und zwar solange, bis jedes Gebirge, jedes Tal, jeder Fluss, jede Stadt, jeder Bezirk und jede Ortschaft dieses Landes von Terrorzellen befreit ist."
    Hoffnung auf friedliche Lösung verloren
    Die Armee hat Panzer im Einsatz, die durch Wohnviertel von Diyarbakir oder Cizre rollen. Häuserfassaden sind durchsiebt von Einschusslöchern; PKK-Kämpfer verschanzen sich in Wohnungen. Die Behörden haben über etliche Stadtviertel Ausgangssperren verhängt. Niemand darf auf die Straßen, weder am Tag noch in der Nacht.
    Selahattin Demirtas von der prokurdischen Partei HDP wirft der Regierung vor, Krieg gegen das eigene Volk zu führen: "Wenn man mit 10.000 Soldaten und sechs Generälen in einen Bezirk eindringt, dann leisten die Bürger dort Widerstand. Wenn die Regierung dort Haus um Haus stürmt und durchsucht, dann hat sie dem Volk den Krieg erklärt. Dann wird sich das Volk natürlich dagegen widersetzen."
    Zehntausende Menschen sind bereits aus den umkämpften Stadtvierteln geflüchtet, so auch aus dem Viertel Sur in der Altstadt von Diyarbakir. Gleich nebenan, auf der anderen Seite der historischen Stadtmauer, demonstrierten Tausende gegen den Militäreinsatz, bis die Polizei kam und die Proteste mit Wasserwerfern und Tränengas auflöste. Die größte Oppositionspartei der Türkei, die sozialdemokratische CHP, übt auch scharfe Kritik an der PKK, weil die zum bewaffneten Widerstand aufrufe und immer wieder neue Barrikaden errichte und mitten in Wohnvierteln Schützengräben aushebe.
    Aber, so Haluk Koc von der sozialdemokratischen CHP: Mit der harten Militär-Operation gieße die Regierung Öl ins Feuer. "Der Staat muss im Rahmen des Rechts operieren. Sonst fördert er den Terror, anstatt ihn zu bekämpfen." Tatsächlich schließen sich der PKK immer wieder junge Kurden an und greifen zu den Waffen. Sie haben die Hoffnung auf eine friedliche Lösung verloren. Im Südosten dreht sich derzeit die Spirale der Gewalt immer weiter.