Erdogans neuer Amtssitz mutet an wie ein Sultans-Palast aus den Märchen von 1001 Nacht. Riesige Säle, die Wände geschmückt mit osmanischen Mustern; an der Fassade ranken sich Spitzbögen gen Himmel. Die Architektur des Palastes soll an die Seldschuken erinnern, also an jene Vorfahren der Türken, die vor tausend Jahren Anatolien eroberten.
Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu kommt aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus, wenn er an Erdogans neuen Palast denkt, der heute mit einem Empfang zum Jahrestag der Gründung der Republik Türkei eingeweiht wird:
"Welche Republik wollen die eigentlich feiern? Die Republik, die einst mit Schweiß und Schmerz gegründet wurde? Oder jene Republik, für die sie diesen neuen Palast gebaut haben – als Zentrale für ihre Korruption?"
Der neue Palast im Westen der Hauptstadt Ankara steht mitten in einem Waldgrundstück, das Staatsgründer Atatürk höchstpersönlich zu einer Art Naturschutzgebiet erklärt hatte. Aber Erdogan setzte sich über alle Vorschriften und Bauverbote hinweg. Noch einmal Oppositions-Chef Kilicdaroglu:
"Per Gerichtsurteil wurde dieses Gebäude zum Schwarzbau erklärt. Wer immer dorthin geht, ob Künstler oder Geschäftsmann, und sich dort an die Knie von Erdoğan setzt, dem wird die Geschichte nicht vergeben."
Kilicdaroglu und seine Anhänger jedenfalls wollen diesen Palast nicht betreten. Deshalb boykottieren sie heute den Empfang zum Republik-Feiertag im neuen Palast.
Die Rede ist vom "größten Schwarzbau der Türkei"
So werden die Großen und Mächtigen der Türkei heute eben ohne die Opposition den neuen Prunkbau feiern. Allerdings sind die Wohngemächer noch nicht bezugsfertig, dort werkeln noch Bauarbeiter. Erdogan muss noch eine Weile im alten Palast im Stadtteil Cankaya ausharren, aber alles ist vorbereitet:
"Ich werde noch eine Weile in Çankaya wohnen und dann, hoffentlich bald, ins neue Staatspräsidialamt umziehen. In das jetzige Amtsgebäude in Cankaya wird der Ministerpräsident einziehen, so ist es vorgesehen."
Präsident Erdogan im großen, neuen Palast; Regierungschef Davutoglu im deutlich kleineren, alten Palast. Das spiegelt die Machtverteilung in der türkischen Staatsführung wider.
Erdogans neuer Amtssitz wird "Der weiße Palast" genannt, auf Türkisch: Ak-Saray. Das klingt so ähnlich wie Ak-Parti, so der türkische Name für die Regierungspartei AKP, als würde der neue Palast nicht dem Staat, sondern der Regierungspartei gehören.
Der Weiße Palast von Ankara hat allerdings einen Makel: Weil er ohne gerichtliche Genehmigung hochgezogen wurde, ist der "Weiße Palast" zugleich der größte Schwarzbau der Türkei.