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Türkei fordert Auslieferung
Dogan Akhanli kommt frei

Der türkischstämmige Schriftsteller Dogan Akhanli ist wieder frei, darf Spanien aber vorerst nicht verlassen. Der Kölner Autor, der sich seit Jahren für Menschenrechte einsetzt, war am Samstag während seines Urlaubs festgenommen worden - auf Betreiben der Türkei.

Von Kemal Hür |
    Der Autor Dogan Akhanli - hier auf der Lit.Cologne in Köln am 8. März 2017.
    Der Autor Dogan Akhanli: Nach Informationen einer spanischen Nachrichtenagentur soll dem Autor in der Türkei Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen werden. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Doğan Akhanlı wurde heute Vormittag in Madrid von einem Haftrichter angehört und freigelassen. Doch der 60-jährige deutsche Schriftsteller hat die Auflage bekommen, sich vorerst in Madrid aufzuhalten. Sein Rechtsanwalt Ilias Uyar sagte dem Deutschlandfunk nach der Anhörung:
    "Mit der Entlassung aus der Haft ist das Verfahren noch nicht beendet. Die Türkei wird jetzt die Möglichkeiten haben, in den nächsten 40 Arbeitstagen ihr Auslieferungsgesuch zu begründen. Dann wird es vor einem spanischen Gericht nochmal eine Verhandlung geben, um über dieses Auslieferungsgesuch zu entscheiden. Wichtig ist, dass der Mandant jetzt aus der Haft kommt und in Freiheit kommt."
    Der türkischstämmige Akhanlı war gestern auf Betreiben der Türkei während seines Urlaubs in Granada festgenommen worden. Das Vorgehen der spanischen Behörden hatte in Deutschland breite Empörung ausgelöst. Bundespolitiker setzen sich mit klaren Worten für die sofortige Freilassung des Schriftstellers ein. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel telefonierte persönlich mit seinem spanischen Amtskollegen und bat, Akhanlı nicht an die Türkei auszuliefern. Der Kanzlerkandidat und Vorsitzende der SPD, Martin Schulz, drohte der Türkei mit Konsequenzen.
    "Jeder, der sich die Freiheit herausnimmt, Herrn Erdoğan zu kritisieren, wird als Feind der Türkei stigmatisiert und verfolgt. Das ist eine neue Stufe der Eskalation. Deshalb glaube ich, dass eine der Antworten sein muss, dass wir der Türkei sagen: Weitere und vertiefte Wirtschaftsbeziehungen sind, solange die Türkei sich so verhält, nicht möglich."
    Özdemir: Türkei ist kein Rechtsstaat mehr
    Grünen-Chef Cem Özdemir will die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit der Türkei neu bewerten lassen. Die Türkei sei kein Rechtsstaat mehr, so Özdemir.
    "Offensichtlich ist es so, das, was bei uns normale Menschen sind, sind in der Türkei Terroristen. Und das kann nicht angehen, das ist nicht akzeptabel. Doğan Akhanlı muss von den spanischen Behörden sofort freigelassen werden. Und es muss Konsequenzen geben für die Zusammenarbeit im Bereich der Polizei mit der Türkei."
    Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, rief die EU auf, dem türkischen Präsidenten seine Grenzen aufzuzeigen. Doğan Akhanlı ist Mitglied der internationalen Schriftstellervereinigung PEN. Die Präsidentin des deutschen PEN-Zentrum Deutschland, Regula Venske, bewertet Akhanlıs Festnahme als einen Angriff auf die Freiheit der Kunst.
    "In ihm sind im Grunde wir alle mitangeklagt und verhaftet. Er hat sich für die Menschenrechte engagiert. Er spricht über die Verfolgung und die Ermordung des armenischen Volkes in der Türkei."
    Unermüdlicher Einsatz für die Menschenrechte
    Der Genozid an den Armeniern ist eines der wichtigsten Themen von Doğan Akhanlı. In mehreren Romanen und Theaterstücken behandelt er diesen Völkermord im Osmanischen Reich, den die Türkei bis heute leugnet. Akhanlıs unermüdlicher Einsatz für Menschenrechte sei der türkischen Regierung unter dem despotisch regierenden Präsidenten Erdoğan ein Dorn im Auge. Erdoğan wolle seine Kritiker auch außerhalb der Türkei zum Schweigen bringen, sagt Akhanlıs Rechtsanwalt Ilias Uyar.
    "Es muss Schluss sein damit, dass die Türkei über Interpol versucht, ihre undemokratischen Grundsätze durchzusetzen und unbescholtene Bürger, die seit langem im Europa leben, weiterhin zu kriminalisieren und in Haft zu bringen."
    Nach Akhanlıs Festnahme rief der Deutsche Journalistenverband, DJV, türkeikritische Journalisten dazu auf, sich vor Auslandsreisen beim Bundeskriminalamt über mögliche Haftbefehle oder Fahndungen im Ausland zu informieren. Die Festnahme Akhanlıs auf Betreiben der Türkei sei als Warnzeichen zu verstehen, sagte DJV-Vorsitzender Frank Überall.