Fotos des langährigen Fußball-Nationalspielers Mesut Özil, die eine Tätowierung mit drei Halbmonden und einem heulenden Wolf auf Özils Brust zeigen, haben zuletzt für Diskussionen gesorgt. Özils Tattoo zeigt Symbole der "Grauen Wölfe", Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung", die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Die über Social Media verbreiteten Fotos sorgten für teils empörte Reaktionen und wurden vor allem in den deutschen Medien viel diskutiert. Özils Image in Deutschland ist ohnehin beschädigt, nach einem umstrittenen Fototermin mit Türkeis Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Özils von vielen Misstönen begleiteten Rücktritt aus der Nationalmannschaft im Jahr 2018.
Özil-Bekenntnis für "Ülkücü-Bewegung"
In der Türkei hingegen gilt Özils Bekenntnis für die "Ülkücü Bewegung", deren politische Vertretung, die ultranationalistische MHP, Bündnispartnerin der Regierungspartei AKP ist, als Mainstream, sagte Haci Halil Uslucan, Leiter des Zentrums für Türkeistudien und Integarionsforschung an der Universität Duisburg-Essen: "Nationalismus ist generell in der Türkei sehr, sehr stark verbreitet. Das sieht man auch innerhalb des Sports, und dort natürlich vor allem im Fußball."
Anders als etwa in Deutschland sei Nationalismus dort durch und durch positiv besetzt, bei linken wie bei rechten Parteien, so Uslucan. Dies sei historisch in den Befreiungskriegen nach dem Ersten Weltkrieg begründet. In der Türkei gelte man eher als Außenseiter, wenn man keine nationalistischen Gefühle und Ambitionen zeige. Wenn Özil Symbole der "Grauen Wölfe" zeige, habe er damit bei einem "Großteil der türkischen Bevölkerung, 70 bis 80 Prozent völligen Rückhalt", schätzt er.
Von der Vorbildrolle für Integration weiter entfernt
Von seiner Vorbildrolle für die Integration Türkeistämmiger in Deutschland habe sich Özil damit aber weiter entfernt, meint Integrationsforscher Uslucan. Auch wenn das Bild bei den Türkeistämmigen in Deutschland differenzierter zu betrachten sei, wie die vergangenen Wahlen gezeigt hätten: "Im Ruhrgebiet beispielsweise halten 60 bis 75 Prozent nach wie vor die derzeitige Regierung Erdogan für die beste".
Die Aufregung um Özil in Deutschland könnte aber weitere Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Sport haben. Uslucan sieht den Fall auch als Zeichen für eine weitere Politisierung des Sports, weil das Publikum dadurch noch einmal an genuine Werte des Sports wie Völkerverständigung, Leistungsorientierung oder Fairness erinnert werde. "Wenn einer offensichtlich Werbung macht für Parteien, die Minderheiten abwerten und eine selbstzentrierte Sicht haben, dann ist das natürlich mit den Werten des Sports nicht vereinbar. Insofern tut diese Politisierung, unabhängig von Özil, eigentlich ganz gut."