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Türkei
Krise weitet sich aus

Die diplomatische Krise zwischen der Türkei und mehreren EU-Staaten zieht immer weitere Kreise. Nach dem Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Minister hat Istanbul die Städtepartnerschaft mit Rotterdam aufgekündigt. Und sogar vor Kühen macht die Krise nicht Halt: ein türkischer Züchterverband kündigte an, niederländisches Rindvieh des Landes zu verweisen.

    Anhänger von Präsident Erdogan protestieren vor dem niederländischen Konsulat in Istanbul gegen die Regierung in Den Haag.
    Anhänger von Präsident Erdogan protestieren vor dem niederländischen Konsulat in Istanbul gegen die Regierung in Den Haag. (AFP / Yasin Akgul)
    Die Beziehungen zwischen Ankara und Den Haag werden seit der Absage türkischer Wahlkampfauftritte in den Niederlanden auf eine harte Probe gestellt. Und ein Ende der Verstimmungen ist derzeit nicht absehbar. Im Gegenteil - längst ist sie nicht mehr nur auf diplomatischer Ebene zu spüren, sondern erfasst immer mehr Lebensbereiche: "In Zukunft wollen wir keine Tierprodukte aus Holland mehr", sagte ein Sprecher des Türkischen Verbandes der Viehproduzenten. Niederländisches Rindvieh werde aus Protest gegen die Haltung Den Haags des Landes verwiesen. Eine erste Gruppe Holsteiner sei verladen worden und werde zurückgeschickt.
    Städtepartnerschaft mit Rotterdam beendet
    Der Istanbuler Stadtrat kündigte die Städtepartnerschaft mit Rotterdam, auf Anweisung von Präsident Erdogan: "Es ist nicht möglich, dass wir mit solchen Leuten eine Partnerschaft unterhalten.
    Und auch in Deutschland wird der Ton schärfer. Zwar genehmigte die Bundesregierung der türkischen Regierung, die Stimmabgabe für das Verfassungs-Referendum in 13 Städten, zumeist in den türkischen Generalkonsulaten. Doch in einer Verbalnote an die türkische Botschaft in Berlin heißt es, die Erlaubnis könne zurückgezogen werden, falls Ankara Deutschland weiter verunglimpfe.
    Angesichts der jüngsten Drohungen aus Ankara, das Flüchtlingsabkommen mit der EU zu überdenken, signalisierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der Türkei zugesagte Hilfen seien in Gefahr. Deutschland sei weiter bereit, einen wirtschaftlichen Beitrag zu leisten. Dafür müsse die Türkei allerdings die Voraussetzungen aufrechterhalten oder wieder herstellen, betonte Schäuble. Im Augenblick sei die Lage "nur zum Weinen".
    "Nicht alles gefallen lassen"
    Der CSU-Innenexperte Mayer begrüßte das gestern vom Saarland angekündigte Verbot für Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker. Dies sei ein klares Signal, dass man sich nicht alles gefallen lasse, sagte Mayer im Deutschlandfunk. Darüber hinaus sei es nicht im Interesse Deutschlands, dass innertürkische Konflikte importiert würden. Es sei nicht akzeptabel, wenn türkische Politiker Werbung für das Verfassungsreferendum machten. Schließlich solle der Präsident dadurch eine Zitat - "schier unerschöpfliche Machtfülle" erhalten.
    Derweil hält die Europäische Kommission ungeachtet der türkischen Kritik am Flüchtlingsabkommen mit Ankara fest. Eine Sprecherin sagte der Nachrichtenagentur Reuters, man erwarte, dass sich beide Seiten an ihre Verpflichtungen hielten.
    Auswirkungen auch auf die Nato
    Auch die Nato ist vom Streit zwischen der Türkei und diversen EU-Staaten betroffen. Aus Verärgerung über die Regierung in Österreich blockiere Ankara bereits seit geraumer Zeit Ausbildungs- und Trainingsprogramme, hieß es heute von Seiten des Nato-Hauptquartiers in Brüssel. Die Nordatlantikpakt rief beide Seiten auf, ihre bilateralen Probleme zu lösen. Österreich ist kein Mitglied der Militär-Allianz, nimmt aber an den Partner-Programmen teil. Das Land hatte wiederholt den Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei gefordert.
    (gwi/tgs)