Wie von einer Aussichtsplattform gleitet der Blick über das türkisch-syrische Grenzgebiet. Direkt unterhalb von Nesrins nackten Füßen liegt es da, saftig grün, von schmalen Pfaden durchzogen. Die Aussichtsplattform ist das Dach von Nesrins kleinem Haus. Die 19-Jährige lebt mit den fünf Geschwistern, den Eltern und den Großeltern in Güvecci – am südlichsten Zipfel der Türkei. Auf dem Hügel gegenüber liegt Syrien, so friedlich und nah, dass es tatsächlich zum Picknicken einlädt – und auch dazu, die Grenze im Spaziergang zu überqueren. Das haben seit April Hunderte Syrer getan, Nesrin hat sie alle beobachtet.
"Sie haben um acht Uhr morgens angefangen zu demonstrieren. Und abends um neun sind immer noch welche nachgekommen. Sie hatten türkische Flaggen dabei und haben geschrien: "Wir wollen Freiheit, wir wollen die Türkei, Tayyip Erdogan leben hoch!"
Mehr als 8500 syrische Flüchtlinge sind inzwischen in die Türkei geströmt. Der türkische Rote Halbmond – das Pendant zum Roten Kreuz – errichtet im Eiltempo Zeltstädte an der Grenze. Der frisch im Amt bestätigte türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan verspricht von Ankara aus jede Hilfe.
"Syrien ist für uns nicht wie Libyen. Syrien ist für uns wie unser eigenes Problem – wir haben mehr als 850 Kilometer gemeinsame Grenze! Wir müssen den Flüchtlingen unsere Türen öffnen. Nur bis zu welchem Punkt kann das so weiter gehen? Das ist eine andere Angelegenheit."
Eine Angelegenheit, die die türkische Regierung zunächst allein lösen will. Internationale Hilfe – unter anderem auch von Außenminister Westerwelle – lehnte sie dankend ab. Doch es geht in den Zeltstädten nicht nur um humanitäre Hilfe, es geht auch darum, die Geflohenen an einem Ort zu halten, bis die Situation im Nachbarland sich entspannt und die Rückkehr organisiert werden kann. Ankara vermeidet es bewusst von "Flüchtlingen" zu sprechen, die womöglich unter die UN-Konventionen fallen und sich auf lange Sicht in der Türkei niederlassen könnten. Was also sind die Tausende von syrischen Nachbarn, die da täglich über die ja ohnehin offene Grenze in die Türkei strömen und nun hinter Stacheldraht sitzen? Der Bürgermeister des Grenzorts Yayladagi, in dessen Umgebung die Zeltstädte entstehen, zuckt mit den Schultern.
"Ich sehe sie zuerst mal als unsere Gäste, aber der Staat hat sie nicht klar definiert. Ich weiß nicht, ob das nun Flüchtlinge sind oder vielleicht Asylsuchende. Wir zeigen unsere türkische Gastfreundschaft jedenfalls jedem. Und wir sehen sie einfach als Gäste Gottes."
Bürgermeister Mustafa Dagistanli weiß, dass sein Ort sich auf viele weitere "Gäste Gottes" gefasst machen muss. Zehntausende campieren an der syrischen Grenze, bei Gefahr jederzeit bereit sie zu überqueren. Derweil greift der syrische Präsident Bashar Al-Assad seine Bevölkerung laut Augenzeugenberichten weiter mit Panzern an. Auch wenn in den türkischen Zeltstädten striktes Presseverbot herrscht, dringen immer wieder Berichte von angeblich mordenden Regierungssoldaten, von abgebrannten Feldern und vergiftetem Wasser nach draußen. Lange zog der türkische Ministerpräsident es vor, zum Vorgehen seines jahrelangen Freundes, dem syrischen Machthaber Bashar Al-Assad, öffentlich zu schweigen. Doch schließlich konnte auch Erdogan nicht mehr wegsehen.
"Ich habe vor wenigen Tagen mit Bashar Al-Assad gesprochen. Trotz all dieser Vorkommnisse nimmt er die Situation immer noch zu leicht, und behauptet alles wäre ganz anders. Aber es ist offensichtlich, dass vor allem sein Bruder als Truppenführer absolut unmenschlich vorgeht. Wir haben die Bilder von ermordeten Frauen gesehen! Das ist absolut inakzeptabel! Unter diesen Umständen können wir nicht mehr zur syrischen Regierung stehen."
Erstaunlich klare Worte aus Ankara. Bei jeder Gelegenheit betonen Sprecher der Regierung nun, dass die Grenze nach Syrien offen ist und offenbleiben wird. Der Rote Halbmond ist bereits dabei, ein Lager für weitere 9000 Flüchtlinge zu errichten. Einmal mehr, so scheint es, genießt die Türkei ihre strategische Rolle in der Region. Und wie schon für die Ägypter und Libyer, ist das türkische Modell von Islam und Demokratie auch für viele Syrer längst zum Vorbild geworden. Erst vor wenigen Tagen wurde ein syrisches Kind in einem der Zeltlager an der Grenze geboren. Sein Name: Recep Tayyip!
"Sie haben um acht Uhr morgens angefangen zu demonstrieren. Und abends um neun sind immer noch welche nachgekommen. Sie hatten türkische Flaggen dabei und haben geschrien: "Wir wollen Freiheit, wir wollen die Türkei, Tayyip Erdogan leben hoch!"
Mehr als 8500 syrische Flüchtlinge sind inzwischen in die Türkei geströmt. Der türkische Rote Halbmond – das Pendant zum Roten Kreuz – errichtet im Eiltempo Zeltstädte an der Grenze. Der frisch im Amt bestätigte türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan verspricht von Ankara aus jede Hilfe.
"Syrien ist für uns nicht wie Libyen. Syrien ist für uns wie unser eigenes Problem – wir haben mehr als 850 Kilometer gemeinsame Grenze! Wir müssen den Flüchtlingen unsere Türen öffnen. Nur bis zu welchem Punkt kann das so weiter gehen? Das ist eine andere Angelegenheit."
Eine Angelegenheit, die die türkische Regierung zunächst allein lösen will. Internationale Hilfe – unter anderem auch von Außenminister Westerwelle – lehnte sie dankend ab. Doch es geht in den Zeltstädten nicht nur um humanitäre Hilfe, es geht auch darum, die Geflohenen an einem Ort zu halten, bis die Situation im Nachbarland sich entspannt und die Rückkehr organisiert werden kann. Ankara vermeidet es bewusst von "Flüchtlingen" zu sprechen, die womöglich unter die UN-Konventionen fallen und sich auf lange Sicht in der Türkei niederlassen könnten. Was also sind die Tausende von syrischen Nachbarn, die da täglich über die ja ohnehin offene Grenze in die Türkei strömen und nun hinter Stacheldraht sitzen? Der Bürgermeister des Grenzorts Yayladagi, in dessen Umgebung die Zeltstädte entstehen, zuckt mit den Schultern.
"Ich sehe sie zuerst mal als unsere Gäste, aber der Staat hat sie nicht klar definiert. Ich weiß nicht, ob das nun Flüchtlinge sind oder vielleicht Asylsuchende. Wir zeigen unsere türkische Gastfreundschaft jedenfalls jedem. Und wir sehen sie einfach als Gäste Gottes."
Bürgermeister Mustafa Dagistanli weiß, dass sein Ort sich auf viele weitere "Gäste Gottes" gefasst machen muss. Zehntausende campieren an der syrischen Grenze, bei Gefahr jederzeit bereit sie zu überqueren. Derweil greift der syrische Präsident Bashar Al-Assad seine Bevölkerung laut Augenzeugenberichten weiter mit Panzern an. Auch wenn in den türkischen Zeltstädten striktes Presseverbot herrscht, dringen immer wieder Berichte von angeblich mordenden Regierungssoldaten, von abgebrannten Feldern und vergiftetem Wasser nach draußen. Lange zog der türkische Ministerpräsident es vor, zum Vorgehen seines jahrelangen Freundes, dem syrischen Machthaber Bashar Al-Assad, öffentlich zu schweigen. Doch schließlich konnte auch Erdogan nicht mehr wegsehen.
"Ich habe vor wenigen Tagen mit Bashar Al-Assad gesprochen. Trotz all dieser Vorkommnisse nimmt er die Situation immer noch zu leicht, und behauptet alles wäre ganz anders. Aber es ist offensichtlich, dass vor allem sein Bruder als Truppenführer absolut unmenschlich vorgeht. Wir haben die Bilder von ermordeten Frauen gesehen! Das ist absolut inakzeptabel! Unter diesen Umständen können wir nicht mehr zur syrischen Regierung stehen."
Erstaunlich klare Worte aus Ankara. Bei jeder Gelegenheit betonen Sprecher der Regierung nun, dass die Grenze nach Syrien offen ist und offenbleiben wird. Der Rote Halbmond ist bereits dabei, ein Lager für weitere 9000 Flüchtlinge zu errichten. Einmal mehr, so scheint es, genießt die Türkei ihre strategische Rolle in der Region. Und wie schon für die Ägypter und Libyer, ist das türkische Modell von Islam und Demokratie auch für viele Syrer längst zum Vorbild geworden. Erst vor wenigen Tagen wurde ein syrisches Kind in einem der Zeltlager an der Grenze geboren. Sein Name: Recep Tayyip!