Die Gespräche mit der Türkei seien "nur noch diplomatische Fiktion" und es brauche ein "alternatives Konzept", sagte Kern im ORF-Fernsehen. Er wolle das Thema am 16. September beim EU-Gipfel in der slowakischen Hauptstadt Bratislava zur Sprache bringen. Mit der Forderung hat sich der Konflikt zwischen der Europäischen Union und der Türkei weiter zugespitzt. Die Türkei warf dem Sozialdemokraten eine rechtsextreme Wortwahl vor. "Wenn ich ehrlich sein soll, finde ich es äußerst störend, dass diese Art von Ansatz so sehr Ähnlichkeit mit dem Ansatz der Rechtsextremisten in Europa aufweist", sagte der türkische Europaminister Ömer Celik nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara.
Unterstützung erfuhr Kern von Österreichs Außenminister Sebastian Kurz. Er weise die Kritik des türkischen Europaministers Ömer Celik auf Twitter zurück:
Zustimmung aus Deutschland
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte ebenfalls ein Ende der Verhandlungen über einen EU-Beitritt. "Eine türkische EU-Mitgliedschaft kann überhaupt keine Option sein", sagte Herrmann der Deutschen Presse-Agentur. Der CSU-Parteivize und Europa-Parlamentarier Manfred Weber rief im "Münchner Merkur" die SPD dazu auf, sich der Forderung Kerns anzuschließen. Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich ebenfalls für ein Ende der Beitrittsverhandlungen einzusetzen. Die Grünen- Europapolitikerin Rebecca Harms warnte dagegen im rbb-Radio davor, die Gesprächskanäle mit der Türkei zu gefährden. Ähnlich äußerte sich auch ihre Parteikollegin Ska Keller im Deutschlandfunk.
Rückhalt für EU-Beitritt schwindet
Über einen EU-Beitritt der Türkei wird seit 2005 verhandelt. Große Teile der Union lehnen diesen seit Langem ab. Kanzlerin Merkel hatte sich in der vergangenen Woche zurückhaltend zur Zukunft der EU-Beitrittsgespräche geäußert. Laut einer Umfrage schwindet auch der Rückhalt für einen EU-Beitritt bei der Bevölkerung: Laut ARD-Deutschlandtrend sind nur noch 15 Prozent der Deutschen der Auffassung, dass die EU die Türkei mittel- bis langfristig als Mitglied aufnehmen sollte.
In Brüssel hält man dagegen nichts von einem vorschnellen Abbruch der Verhandlungen. Eine Sprecherin verwies auf Äußerungen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der am Wochenende gesagt hatte, es sei nicht der Moment, "aus der Hüfte zu schießen und die Beitrittsverhandlungen zu beenden". Allerdings äußerte sich Juncker selbst inzwischen im Interview mit der ARD um einiges skeptischer: "Die Türkei - in dem Zustand, in dem sie jetzt ist - kann nicht Mitglied der Europäischen Union werden; vor allem nicht, wenn sie das täte, was einige anmahnen - nämlich die Todesstrafe wieder einzuführen. Dies hätte den sofortigen Abbruch der Verhandlungen zur Folge", sagte er.
(sima/ts)