Neben den beiden Parteivorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag seien neun weitere HDP-Abgeordnete in Gewahrsam genommen worden, teilte das Innenministerium mit. Inzwischen wurden zwölf Parlamentarier verhaftet. Ein Gericht erließ Untersuchungshaft gegen Fraktionschef Idris Baluken. Einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge sollen die Politiker nicht wie angeordnet für Aussagen zu Terrorvorwürfen vor Gericht erschienen sein und deshalb in Haft sitzen.
Die ersten Festnahmen geschahen mitten in der Nacht. Der HDP-Vorsitzende Demirtas beschrieb seine Festsetzung via Twitter: "Polizeibeamte stehen mit einem Haftbefehl vor meinem Haus in Diyarbakir." In ihrem Twitter-Kanal veröffentlichte die Partei zahlreiche Videos von den Festnahmen, die sie mit einem Streamingdienst teilweise live zeigte.
Die Agentur Anadolu meldete, dass Demirtas' Kollegin Yüksekdag sei aus ihrem Haus in Ankara abgeführt worden. Zu den Festgenommenen gehörten nach Behördenangaben auch prominente HDP-Abgeordnete wie Sirri Süreyya Önder und Idris Baluken. Die Haftbefehle seien von Chefstaatsanwälten der Provinzen Diyarbakir, Sirnak, Hakkari, Van und Bingöl ausgestellt worden. Nach offiziellen Angaben suchen die türkischen Behörden noch nach einigen Parteifunktionären.
Das Innenministerium in Ankara bestätigte den Einsatz in mehreren türkischen Provinzen und sprach von einer Anti-Terror-Operation.
Mehrere Tote bei Explosion vor Polizeigebäude
Nach den Verhaftungen kam es zu einer schweren Explosion vor einem Polizeigebäude in Diyarbakir, es soll sich um einen Anschlag mit einer Autobombe gehandelt haben. Nach Regierungsangaben wurden mindestens acht Menschen getötet, mehr als hundert wurden verletzt.
Die HDP (Halkların Demokratik Partisi) gilt als pro-kurdisch, hat aber auch viele Unterstützer in der türkischen Linken. Die Partei erreichte bei der Wahl im November 2015 10,8 Prozent der Stimmen und hat 59 Abgeordnete im Parlament von Ankara. Das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem lehnt sie ab. Die Regierung in Ankara sieht in der HDP den politischen Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Autonomie kurdisch geprägter Gebiete kämpft. Die HDP weist dies zurück.
Hartes Vorgehen gegen Oppositionelle
Die türkische Justiz hatte erst zu Beginn der Woche den Chefredakteur Murat Sabuncu und weitere Mitarbeiter der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" festgenommen. Der Vorwurf: Sie sollen Verbrechen "im Auftrag kurdischer Milizen und der Gülen-Bewegung" begangen haben.
Auch gegen Kommunalpolitiker der HDP gingen die türkischen Behörden zuletzt vor. Im September wurden 28 Bürgermeister und Funktionäre - die meisten von der prokurdischen Partei - entlassen und durch Verwalter ersetzt. Erst Anfang der Woche wurde Gültan Kisanak, die Bürgermeisterin der größten kurdisch geprägten Stadt Diyarbakir, wegen mutmaßlicher PKK-Mitgliedschaft festgenommen. Die türkische Regierung betraute einen Bezirksverwalter aus Ankara mit ihren Aufgaben.
(nch/tgs)