Selahattin steht mit seinem gold-roten Verkaufsstand auf vier Rädern an einer Straßenecke im Istanbuler Stadtteil Sisli. Es ist gut was los, wie immer morgens. Die Kunden legen ihm schon abgezählt 1.50 Lira hin, Selahattin packt ihnen schnell einen Simit in eine Papiertüte. Ein warmes Lächeln geht über sein gezeichnetes Gesicht. Er macht den Job seit 20 Jahren, erzählt der der 45-Jährige. Seit etwa zwei Jahren kostet der Sokak-Simiti, also der Straßen-Simit 1.50 Lira:
"Kommt schon mal vor, dass an manchen Stellen der Simit auch für 1,25 Lira verkauft wird. Die Bäcker-Verbände sind sich manchmal nicht einig. Im Stadtteil Sisli aber kostet der Simit in der Regel 1,50 Lira. Manchmal gibt‘s aber auch einen Konkurrenzkampf zwischen Bäckereien."
Mehr als 1,50 Lira darf er aber auf der Straße nicht kosten, das ist festgelegt, erklärt Selahttin weiter. Im Stadtteil Ortaköy am Bosporus-Ufer kassiert Berat 1,75 Lira pro Simit. Das ist aber auch ein Pastane-Simiti, also einer der in der Bäckerei verkauft wird. Er ist meistens größer und weicher. Jahre lang hat er hier auch 1,50 Lira gekostet, aber vor drei Tagen hat Berat den Preis auf 1,75 Lira angehoben, musste er, sagt der 27-jährige Bäcker:
"Wir kaufen den Sesam in türkischer Lira ein. Trotzdem aber zu einem von Devisen umgerechneten Preis. Der Wertverlust der Lira gegenüber ausländischen Währungen hat den Sesam verteuert. Statt für zehn Lira pro Kilo kaufen wir das Kilo im Moment für 16 bis 18 Lira ein."
60 Prozent Importware
Denn Berat importiert den Sesam:
"Wir arbeiten mit Unternehmen im Ausland zusammen, hauptsächlich mit einer deutschen Firma. Zwar wird auch in der Türkei Sesam angebaut und verarbeitet - aber meistens ist es so, dass die ausländischen Unternehmen den Sesam aufkaufen, weiter verarbeiten und in die Türkei zurückverkaufen. Sie haben modernere Technologien für die Verarbeitung. 60 Prozent des Sesams, den wir verarbeiten, ist Importware."
Vom Verkaufsraum kann man direkt in die Backstube hinter schauen. Da liegen lange Brotschieber auf einem Tisch, dahinter ein tiefer Backofen. Dem Bäcker steht der Schweiß auf der Stirn. Es ist heiß.
Genau vorgegebene Zutaten
Beim Straßen-Simit sind die Zutaten genau vorgeschrieben. In den Bäckereien hat dagegen jede ihr eigenes Rezept. Das könnte man ja an die hohen Zutatenpreise anpassen – für Berat kommt das nicht infrage:
"Je mehr man an den Zutaten des Simit verändert, also beispielsweise weniger Sesam benutzt oder kleinere Simit backt, desto mehr büßt man bei der Qualitaet ein. Ein Simit wiegt in der Regel zwischen 120 und 150 Gramm. Macht man in kleiner, ist zwar auch die Backzeit kürzer, aber es geht auch was von der Qualitaet verloren. Und am Sesam kann man nicht sparen, weil das die Kundschaft nicht mögen würde."
Auf den Smit kann keiner verzichten
Die ist lieber beim Preis tolerant. Im Minuten-Takt kommen sie am Simit-Wagen von Selahattin an der Straßenecke vorbei. Der bestreicht grade einen Simit mit Olivenpaste. Memet, ein dunkel gekleideter Mann Mitte 30, muss kurz warten:
"Der Preis ist normal, selbst wenn es zwei Lira wären, wäre es okay. Ist nicht teuer. Wenn man sich mal anschaut, wie drastisch die Preise anderer Lebensmittel steigen, da würde jetzt ein Anstieg um weitere 50 Kurus nicht viel ausmachen. Auf den Simit kann ja keiner verzichten. Ich komme jeden Morgen hier vorbei und kaufe mir meinen Simit."
Es ist für viele, ob alt oder jung, reich oder arm ein Ritual, der Einstieg in den Tag, das schnelle einfache Frühstück. Vor der Bäckerei in Ortaköy kann man sich kurz hinsetzen und ganz klassisch ein Glas Cay, also Tee zum Simit, trinken. Darauf will kaum einer verzichten, erzählt Berat:
"Die Kunden nehmen es gelassen, nehmen es als gegeben. Schließlich wissen sie, dass nicht nur Sesam teurer wird, sondern gerade alles."
Rund 150 der Straßen-Simits verkauft Selahattin am Tag, sagt er. Inzwischen stehen mehrere Kunden an. Zwei junge Frauen wollen Nussnugatcreme auf ihre Simits. Der 45-Jährige beeilt sich. Als er ihnen die Tüte in die Hand gibt, gibt’s noch ein Lächeln gratis oben drauf.