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Türkei vor Neuwahlen
Unruhige Zeiten

Die Koalitionsverhandlungen in der Türkei sind gescheitert. Jetzt steuert das Land nach den Worten von Präsident Erdogan "rasch auf Neuwahlen" zu. Die Lage ist angespannt: Vor dem Dolmabahce-Palast in Istanbul fielen Schüsse, im Süden wurden acht Soldaten durch einen Sprengsatz getötet.

    Polizeifahrzeuge stehen vor dem Dolmabahce-Palast in Istanbul
    Die Polizei hat den Dolmabahce-Palast nach den Schüssen abgeriegelt (picture-alliance / dpa / Sedat Suna)
    Gestern Abend war es so weit: Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davotuglu gab offiziell den Auftrag zur Regierungsbildung zurück. Damit steuert die Türkei "rasch auf Neuwahlen zu" - das sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan heute in einer Fernsehansprache. Die Befragung des Volkes nach seinem Willen sei der einzige Ausweg, um die Blockade zu beenden.
    "Keine Zeit zu verlieren"
    Davotuglu war als Vorsitzender der islamisch-konservativen AKP als erster mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Sie hatte bei der Parlamentswahl im Juni zwar ihre absolute Mehrheit verloren, wurde aber stärkste Kraft. Der Ministerpräsident konnte jedoch keine Partner für eine Koalitionsregierung gewinnen. Gestern erklärte er auch die Gespräche mit der säkularen CHP für gescheitert. Erdogan betonte, es gelte, keine Zeit mehr zu verlieren. Beobachter gehen davon aus, dass der Präsident im Oktober oder November neu wählen lässt. Bis dahin dürfte Erdogan seinen Parteikollgen Davotuglu bitten, eine Übergangsregierung zu bilden. Die muss laut Verfassung aus allen im Parlament vertretenen Parteien bestehen. Damit wäre auch die pro-kurdische HDP an der Führung des beteiligt und würde vorübergehend Minister stellen - als erste Kurdenpartei überhaupt. Nachrichtenagenturen berichten unter Berufung auf Quellen im Präsidentenpalast, Erdogan wolle noch heute mit dem Parlamentssprecher über die Ausgestaltung der Übergangsregierung sprechen.
    Schüsse vor dem Dolmabahce-Palast
    Die Lage in der Türkei bleibt unterdessen angespannt. Vor dem Dolmabahce-Palast in Istanbul fielen am Mittag Schüsse, außerdem soll es eine Explosion gegeben haben. Der Gouverneur machte "terroristische Gruppen" für den Angriff verantwortlich, ohne Details zu nennen. Die Polizei nahm zwei bewaffnete Verdächtige fest.
    Polizisten suchen die Mauer vor dem Dolmabahce-Palast nach Spuren ab
    Beamte suchen vor dem Dolmabahce-Palast nach Spruen (picture alliance / dpa / Sedat Suna)
    Der Dolmabahce-Palast stammt aus der Zeit des Osmanischen Reiches und ist eine beliebte Touristenattraktion. In der Nähe befindet sich auch der Amtssitz des türkischen Ministerpräsidenten in Istanbul. Regierungschef Davotuglu hielt sich aber nach offiziellen Angaben zum Zeitpunkt des Vorfalls in der Hauptstadt Ankara auf. Im Südosten des Landes wurden nach Militärangaben acht türkische Soldaten getötet, als ihr Auto auf einen Sprengsatz fuhr. Die Armee machte den militanten Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK für den Anschlag verantwortlich.
    17-Jähriger stirbt bei Auseinandersetzung mit Polizei
    Bereits gestern Abend war bei Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen Demonstranten und der Polizei ein 17-Jähriger gestorben. Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu hatten sich zu der nicht genehmigten Kundgebung im Bezirk Esenler etwa 20 Menschen versammelt, die der Jugendorganisation der PKK angehören sollen. Das Verhältnis zwischen den Kurden und den Sicherheitskräften gilt als angespannt, seitdem die Regierung die Waffenruhe mit der PKK aufgekündigt hat und immer wieder kurdische Stellungen beschießt.
    (jasi/sima)