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Türkei
Wenn der Rubel nicht mehr rollt

Allein 2014 machten rund 5,4 Millionen Russen Urlaub in der Türkei und kurbelten damit die Umsätze der Tourismusbranche kräftig an. Doch seit der Ukraine-Krise und den internationalen Sanktionen gegen Russland bleiben die Gäste aus. Und das hat Folgen: Mittlerweile verzeichnen auch Wirtschaftszweige abseits des Tourismus erhebliche Einbußen.

Von Luise Sammann |
    Berge von duftenden Gewürzen, Vitrinen voller Goldschmuck, Seidenschals und natürlich Teppiche. Die Händler auf dem Großen Basar von Istanbul haben ihre kleinen Läden herausgeputzt und die Lager aufgefüllt. Alles ist bereit für die Hochsaison. Tausende Touristen sollen sich nun täglich durch die schmalen Gassen des Basars drängen, sich von türkischem Tee und Pistazien-Süßigkeiten zum Einkaufen verführen lassen. Doch Mustafa, spezialisiert auf Lederwaren und Pelze, sitzt mit zusammengezogenen Brauen vor seinem Shop.
    "Unsere allerbesten Kunden sind eigentlich die Russen. Aber die kommen in diesem Jahr nicht – und das spüren wir deutlich. Sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel. Die Russen sind wichtig fürs Geschäft, weil sie immer das Teuerste kaufen."
    Auswirkungen der Sanktionen
    Nicht nur im Großen Basar von Istanbul. Auch an den Stränden rund um die Touristenhochburg Antalya sind die als spendabel geltenden Gäste aus Russland gern gesehen.
    Jahr für Jahr kamen mehr von ihnen – 5,4 Millionen allein im Jahr 2014! Besonders teure All-inclusive-Paläste stellten sich oft ganz und gar auf russische Wünsche ein.
    Und so warnte Ministerpräsident Davutoglu bereits kurz nach Inkrafttreten der ersten EU-Sanktionen und der folgenden Rubelschwäche vor "ernsthaften Folgen" für die türkische Tourismusbranche.
    Gleichzeitig kündigte er Maßnahmen an, um die Russen trotz allem ins Land zu locken: 6.000 US-Dollar Benzinzuschlag zahlte seine Regierung zwei Monate lang für jedes Passagierflugzeug aus Russland, damit die Tickets dort zum Schnäppchenpreis angeboten werden konnten.
    "Der Rückgang der Touristenzahlen aus Russland ist unübersehbar",
    klagt trotz solcher Hilfen Osman Ayik, Vorsitzender des türkischen Hotelierverbandes in Antalya.
    "Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen wir gut 30 Prozent weniger russische Buchungen. Das entspricht etwa einer Million Gäste."
    Nicht nur der Tourismus ist betroffen
    Und auch in anderen Wirtschaftszweigen der Türkei macht sich die Krise des Rubels inzwischen deutlich bemerkbar. Während die Lebensmittelbranche ihre Gewinne steigern konnte, brach der Russlandexport insgesamt um ganze 20 Prozent ein.
    Jahrelang hatten die Freunde Putin und Erdogan persönlich daran gearbeitet, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen ihren Ländern zu intensivieren. Russland stieg zu einem der wichtigsten Exportmärkte für türkische Unternehmer auf. Nun klagen die Firmen vom Bosporus über überfüllte Lager und unbezahlte Rechnungen.
    "Auch zahlreiche türkische Investoren direkt vor Ort sind betroffen, vor allem im Bausektor",
    weiß Taylan Büyüksahin von der Istanbuler Wirtschaftszeitung Dünya.
    "Durch die Krise sind viele Bauprojekte in Russland gestoppt worden. Die türkischen Unternehmer haben zunächst abgewartet, mussten dann aber beginnen, Arbeiter und Maschinen abzuziehen. Denn die laufenden Kosten in Russland – Mieten oder Gehälter – sind einfach zu hoch, um weiter abzuwarten."
    Neue Märkte erobern
    Irak, Libyen, Ägypten, Syrien: Fast alle Märkte außerhalb der EU, auf denen türkische Unternehmen sich in den vergangenen Jahren versuchten, stecken heute in der Krise – und nun auch Russland. Wirtschaftsexperten am Bosporus rufen bereits zu einer Umorientierung auf. Aber wohin?
    Zumindest die türkische Tourismusbranche besinnt sich dieser Tage auf eine ganz bestimmte Kundengruppe.
    "Wegen der Probleme in anderen Ländern haben wir in diesem Jahr unsere Anstrengungen in Deutschland verstärkt. Und tatsächlich konnten wir so ganze zehn Prozent mehr deutsche Gäste anlocken",
    strahlt Osman Ayik vom türkischen Hotelierverband. Zwar gelten die Deutschen im Vergleich zu Russen oder Arabern als weniger spendabel und luxusorientiert, dafür aber als besonders treu.