Moskau am 25. November, einen Tag nach dem Abschuss eines russischen Bombers durch die türkische Luftwaffe. Eine Menschenmenge versammelt sich vor der türkischen Botschaft, bewirft sie mit Eiern, Farbbeuteln und Steinen. Scheiben gehen zu Bruch. Seit diesem Gewaltausbruch haben Türken in Russland Angst, vor allem Angst vor Ausweisung, so wie der Ingenieur Mehmet. "Ich fühle mich sehr schlecht. Ich kann nicht gut schlafen, ein schlechtes Gefühl. Ich bin unruhig. Egal wann und wohin ich fahre, habe ich Angst, dass mich die Verkehrspolizei anhält. Es ist egal, ob du eine Aufenthaltsgenehmigung hast oder nicht, es ist egal ob du ein Kind hier hast oder nicht."
Die offizielle Linie hat Russlands Präsident Putin in seiner Jahrespressekonferenz noch einmal abgesteckt. Eine Zusammenarbeit mit der jetzigen türkischen Regierung wird es nicht geben, aber: "Natürlich muss man die Kontakte mit den uns ethnisch nahestehenden Völkern pflegen. Ich sage das, weil turksprachige Völker ein Teil Russlands sind. Sowohl das türkische Volk als andere Völker bleiben unsere Partner."
Universitäten haben Beziehungen gekappt
Und doch sieht die russische Realität derzeit anders aus. Die türkischen Studenten eines Moskauer Instituts für Nuklearphysik wurden nach Hause in die Türkei geschickt. Zur Begründung hieß es, sie hätten sich in sozialen Netzwerken positiv zum Terrorismus geäußert, außerdem ihre Studiengebühren nicht gezahlt. Ähnliches passierte an der Universität Woronesch. Vor zwei Wochen wurde das Russisch-türkische Kulturzentrum in Moskau geschlossen. Begründung: Rückstand bei den Mietzahlungen, außerdem zu wenig Besucher. Zahlreiche russische Universitäten haben ihre Kontakte zu türkischen Instituten gekappt.
Probleme haben inzwischen auch türkische Unternehmer, vor allem die, die in der russischen Baubranche tätig sind, so wie Mehmet. "Sehr viele staatliche Behörden versuchen, auch nur die kleinsten Regelverletzungen ausfindig zu machen. Der Migrationsdienst und die Steuerbehörde ziehen die Schrauben an. Ständig überprüfen sie die Bauobjekte. Die Unternehmer haben deswegen schon einen großen Teil der türkischen Arbeiter nach Hause geschickt."
Einige Türken, selbst solche mit Familie in Russland, seien auch von den russischen Behörden nicht wieder ins Land gelassen worden, erzählt Mehmet. Für den zweifachen Vater, der seit 20 Jahren in Russland lebt und mit einer Russin verheiratet ist, wäre das eine Horrorvorstellung. Zumal er in Moskau eine Eigentumswohnung hat. Ich habe auch in dieses Land investiert, sagt er. Viele Türken glaubten, dass sich das russisch-türkische Verhältnis schon irgendwann verbessern werde. Mehmets Hoffnungen aber sind gering.