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Türkische Community
Unverständnis über Loyalitäts-Aufruf der Kanzlerin

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erklärt, sie erwarte von den türkischstämmigen Bürgern Loyalität zu Deutschland. Doch was heißt das? Darf man Fan der türkischen Fußball-Nationalmannschaft sein? Soll man Behörden gegenüber loyal sein, deren Handeln man nicht gutheißt? Eine Umfrage in der türkischen Community in Berlin.

Von Kemal Hür |
    Ein Mädchen trägt zur Fußball-EM eine Blumenkette in schwarz-rot-gold und schwingt die türkische Flagge.
    Die elfjährige Ceyda hat kein Loyalitätsproblem: Zur Partie Deutschland-Türkei der Fußball-EM trägt sie eine Blumenkette in schwarz-rot-gold und schwingt die türkische Flagge. (picture alliance / dpa/ Britta Pedersen)
    Loyalität, Erdogan-Anhänger und Gegner, doppelte Staatsbürgerschaft, Denunziationen, Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes in Deutschland. Die türkische Community beschäftigt die deutsche Politik und die Berichterstattung. Was ist Loyalität in einer globalisierten Welt, fragt Fuat Sengül, Geschäftsführer des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg, TBB, und findet die Forderung der Bundeskanzlerin inhaltsleer:
    "Wir sind als Türkischer Bund Berlin-Brandenburg der Ansicht, dass solange sich die Menschen an die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland halten, sich hier an Recht und Gesetz halten, sie loyale Bürger sind. Darüber hinaus leben wir in Deutschland in einer multiethnischen Gesellschaft. Das muss der Politik bewusst sein, in diese Richtung muss immer gedacht werden."
    "Ich kann doch einem Staat gegenüber nicht blind loyal sein"
    Nevzat Akpinar lebt seit 36 Jahren in Berlin und hat an der Freien Universität Musikwissenschaft studiert hat. Er spielt die türkische Langhalslaute "Baglama" und kombiniert in seinen Kompositionen türkische und europäische Musik. Als Musiker hat Akpinar mit seiner Band schon mal in der renommierten New Yorker Carnegie Hall ein Konzert gespielt - als Teil der Berliner Kultur. Ist man ein loyaler Deutscher, wenn man ein Fan der türkischen Fußball-Nationalmannschaft ist, fragt der 48-Jährige, der selbst gerne Fußball spielt. Er selbst sei ein loyaler Bürger, es gebe aber trotzdem vieles, was er in der deutschen Politik nicht gutheiße, zum Beispiel den Umgang mit den Morden des rassistischen NSU.
    "Ich glaube schon daran, dass hinter diesen NSU-Morden - die deutschen Behörden das wussten und die Augen zu gemacht haben. Warum soll ich jetzt gegenüber dieser Behörde loyal sein. Was ist denn das? Ich bin loyal gegenüber Menschlichkeit, Frieden oder Demokratie. Es ist mir egal, wo ich lebe und welchen Pass ich habe. Ich kann doch nicht blind gegenüber einem Staat loyal sein."
    Eine Kurdin, die ein schwarzes Kopftuch trägt, erzählt, sie werde in Kreuzberg für eine Erdogan-Anhängerin gehalten. Aber sobald türkische Nationalisten den Aufnäher mit den kurdischen Farben an ihrer Handtasche sehen, würde sie beleidigt werden. Die Stimmung unter der türkeistämmigen Gemeinschaft sei seit dem vereitelten Putsch vor einem Monat vergiftet. Erdogan-Anhänger würden seine Gegner denunzieren. Der türkische Geheimdienst habe hunderte Informanten auch in Berlin. Sie habe deswegen Angst, ihren Namen im Radio zu hören, sagt die Frau.
    Nicht zeitgemäß, nur einem Land gegenüber loyal zu sein
    Sie lebt seit zehn Jahren in Berlin und bezeichnet Deutschland als ihre zweite Heimat. Was die Bundeskanzlerin mit ihrer Forderung nach Loyalität meine, darüber könne sie nur mutmaßen:
    "So wie ich es verstanden habe, heißt es, dass man sich hier anpassen soll und auch andere Menschen, wie sie sind, respektieren und akzeptieren."
    Abdurrahman Akgül lebt seit Ende der 70er-Jahre in Berlin, ist selbständiger Bauunternehmer. Die deutsche Politik müsse akzeptieren, dass die türkeistämmigen Menschen familiäre, kulturelle und religiöse Bindungen zu ihrem Herkunftsland haben. Es sei nicht zeitgemäß, sich entweder zu dem einen oder anderen Land zu bekennen und nur einem gegenüber loyal zu sein.
    "Merkel hat recht, wenn sie sagt, die Migranten müssen sich integrieren. Wenn man in Deutschland lebt, muss man nach den hiesigen Gesetzen leben und sich anpassen. Man muss sich aber nicht assimilieren. Wo ich ihr nicht recht gebe, ist: Unser Vaterland ist die Türkei. Genauso wie wir Deutschland gegenüber loyal sind, sind wir es auch der Türkei gegenüber. Merkel macht im Moment nur Politik auf unserem Rücken. Es ist Wahlkampf. Eine andere Grundlage hat Merkels Forderung nicht."