Sofuoglu sagte, die Bevölkerung müsse die nun einsetzende Entwicklung genau beobachten und antidemokratische Handlungen ebenfalls kritisieren. Auch an dieser Stelle sollten die Türken Reife zeigen. Sofuoglu warnte vor einer Rache-Politik des Präsidenten Erdogan. Er habe die Sorge, dass unter dem Deckmantel des Putsches nun viele Oppositionelle, Richter und Journalisten festgenommen werden könnten, die mit der Aktion aber nichts zu tun gehabt hätten.
Er berichtete von seinen persönlichen Erfahrungen nach dem Putsch 1980, in dessen Folge er elf Jahre lang nicht in die Türkei reisen konnte. "Ich kann gut nachvollziehen, was das für viele Menschen bedeuten kann" - so etwas könne ein Land viele Jahre zurückwerfen. Erdogan wolle säubern, Rache ausüben, und das von ihm selbst so bezeichnete "Gottes Geschenk so benutzen, dass man eine ganz andere Politik in der Türkei betreibt".
"Erdogans Rachepolitik" keine Lösung
Sofuoglu äußerte den Wunsch, die nun vorhandene Sensibilität der Bevölkerung so zu nutzen, dass man den Demokratisierungsprozess in der Türkei vorantreibe. Die Alternative zum Putsch könne nur sein, dass man sich zur Demokratie bekenne. Die Verantwortlichen müssten mit demokratischen Mitteln zur Rechenschaft gezogen werden. Diejenigen, die nichts damit zu tun haben, solle man außen vor lassen.
Er selbst stelle sich gegen den Militärputsch, so Sofuoglu, aber auch gegen Erdogans Politik, gegen seine "Rachepolitik und Abrechnungspolitik". Zudem verurteilte er Parallelorganisationen innerhalb des Staates, wie die Gülen-Bewegung bezeichnet werde. "Die Türkei braucht dringend Konsens, dringend Demokratie."
Die Türken in Deutschland seien angesichts der Situation in der Türkei sehr politisiert worden. Die seit 1965 bestehende Türkische Gemeinde in Deutschland vertritt rund 200 Einzelvereine und versteht sich als Interessensvertretung türkischstämmiger Deutscher und hier lebender Türken.
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