Die regierungskritische türkische Tageszeitung "Cumhuriyet" dürfte in diesen Tagen wieder Probleme mit der Regierung bekommen. Sie veröffentlicht Listen von mutmaßlichen Gegnern des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan - angefertigt auch von Predigern des größten islamischen Dachverbandes in Deutschland, DITIB. Darin geben die Imame Auskunft über Personen, die angeblich dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen angehören. Erdoğan macht Gülen für den Putschversuch Mitte Juli verantwortlich. Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde, Ali Ertan Toprak, kritisiert die DITIB seit der Gründung der Deutschen Islamkonferenz vor zehn Jahren als den deutschen Ableger des türkischen Religionspräsidiums.
"Die Imame, die in Deutschland in den DITIB-Moscheen eingesetzt werden, sind türkische Beamte. Und sie werden auch eingesetzt, um die muslimische Gemeinde, die sie betreuen, zu kontrollieren und alle kritischen Stimmen dem Staat zu melden. Und das sind Stasi-Methoden. Das darf es in Deutschland nicht geben."
Religionspräsidium forderte zur Spionage auf
Die Prediger der DITIB spionierten auf eine schriftliche Anweisung des türkischen Religionspräsidiums. In dem Schreiben, das uns vorliegt, fordert der für Auslandsangelegenheiten zuständige Vizevorsitzende des Präsidiums "ausführliche Berichte" über alle Tätigkeiten, Einrichtungen und das Personal der Gülen-Organisation. Das Papier ist adressiert an alle Auslandsvertretungen der Türkei. Im Ergebnis entstehen 50 Berichte aus 38 Ländern, die einer Kommission des türkischen Parlamentes vorgelegt wurden.
Bereits im Sommer dieses Jahres war bekannt geworden, dass der türkische Geheimdienst MIT in Deutschland 6000 Informanten beschäftige. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die deutschen Nachrichtendienste überwacht, fordert die Bundesregierung und die Sicherheitsbehörden auf, die bespitzelten Bürger zu beschützen. Solche Denunzierungen wie die durch die DITIB-Imame seien schwere Straftaten, sagt Ströbele.
"Das ist im Paragraf 99 unseres Strafgesetzbuches mit erheblichen Strafen bewährt. Da reicht schon, dass man sich bereit erklärt, etwa einem fremden Geheimdienst, insbesondere hier dem türkischen Geheimdienst, Informationen zu beschaffen und zu liefern."
Ob die deutschen Dienste die Spionagetätigkeit von DITIB-Imamen bestätigen können, könne er nicht sagen. Diese Informationen seien streng geheim, sagt Ströbele.
"Aber dass zu befürchten ist, dass der türkische Geheimdienst hier Tätigkeiten entwickelt, das ist ganz offensichtlich der Fall."
DITIB dementiert Spionageanweisungen des Religionspräsidiums
Unter den 50 Listen finden sich übrigens Berichte der türkischen Generalkonsulate Köln und Düsseldorf. Berichterstatter sind Imame der DITIB-Moscheen, die ihre eigenen Namen genauso vollständig nennen wie die Namen der Personen und Vereine, die sie denunzieren. Einige Imame arbeiten auch in München. Die DITIB-Zentrale teilt in einer kurzen Presserklärung mit, weder der Bundesverband, noch seine Landesverbände hätten eine Anweisung des türkischen Religionspräsidiums erhalten. Auch seien keine Berichte verfasst und weitergegeben worden.
Ali Ertan Toprak hält die DITIB, die laut einem Gutachten des Bundestages vom türkischen Religionspräsidium kontrolliert wird, für unglaubwürdig und fordert Konsequenzen.
"Ich weiß nicht, was noch passieren muss, damit unser Bundesinnenminister und unsere Bundesregierung reagieren. Der DITIB muss man endlich die Rote Karte zeigen. Es kann nicht sein, dass wir die Zukunft der deutschen Muslime, der deutschen muslimischen Kinder in die Hände dieser Organisation legen, weil DITIB in verschiedenen Bundesländern auch mitverantwortlich ist für den islamischen Religionsunterricht. Das ist in meinen Augen skandalös."