Doğan Akhanlı ist deutlich entspannter als nach seiner vorläufigen Festnahme in Granada. Er muss sich zwar jede Woche in Madrid vor Gericht melden, aber er ist frei und genießt den sonnigen Herbst. Zusammen mit Freunden sitzt er in einem Madrider Straßencafé.
"Madrid ist eine sehr schöne Stadt, mit der ich mich sehr gut identifizieren kann. Ich hatte nach meiner langen Zeit in Deutschland schon vergessen, dass es auch Städte gibt, in denen die Sonne immer da ist. Die Festnahme hier in Spanien war ein schlechter Witz, aber gerade passiert in mir eine Verwandlung. Aus einem depressiven Zustand wird ein schöner Traum sozusagen."
Er ist inzwischen in einer Wohnung des Madrider Goethe-Instituts unterkommen, lernt Spanisch. Seine Festnahme sowie die des ebenfalls in der Türkei geborenen schwedischen Autors Hamza Yalçin seien sogar eine gute Gelegenheit gewesen, bei den spanischen Politikern und in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Willkür der türkischen Behörden zu schaffen, sagt er.
Konfrontation mit der Wirklichkeit in der Türkei
Die spanischen Medien berichteten ja intensiv über die beiden Fälle, erklärt auch Yolanda Quintana, Sprecherin der spanischen Plattform für Meinungsfreiheit:
"Es ist immer ein konkreter Fall, der solche Probleme anschaulich macht. Hier sind es sogar zwei: Dogan Akhanli und Hamza Yalçin sind im demokratischen Spanien aufgrund eines Haftbefehls eines völlig willkürlich handelnden Staates wie der Türkei verhaftet worden. Das ist hier als skandalös wahrgenommen worden. Insofern haben die beiden Fälle die Öffentlichkeit sensibilisiert dafür, was in der Türkei passiert."
Allerdings wird Spanien damit trotzdem nicht zu einem Zufluchtsort für geflüchtete türkische Journalisten und Schriftsteller. Was in der Türkei geschieht, nehmen die Spanier kaum wahr, es leben auch nur wenige Türken in Spanien.
"In Deutschland gibt es viele Verbindungen zur Türkei. Es leben dort viele Türken. So finden türkische Journalisten auch eher Zuflucht in Deutschland. Hier fehlen solche sozialen Kontakte. Aber Spanien hat zuletzt ja selbst auch Gesetze erlassen, die die Meinungsfreiheit einschränken. Leider ist Spanien am Tabellenende in Europa in Fragen der Meinungsfreiheit, vor allem wegen des Maulkorbgesetzes."
Yolanda Quintana spricht von einem Gesetz von 2015, das Journalisten in Spanien in der Berichterstattung über die Sicherheitskräfte einschränkt.
Doğan Akhanlı noch nicht sicher
Für Doğan Akhanlı ist die Gefahr noch nicht ganz vorbei. Er ist zwar auf freiem Fuß, aber das Auslieferungsverfahren läuft ja noch. Aber die Türkei hatte von Spanien ja auch die Auslieferung des Schweden Hamza Yalçin verlangt. Die Entscheidung in diesem Fall stimme ihn zuversichtlich, meint Akhanlıs deutscher Anwalt, Ilias Uyar:
"Der Ministerrat hat im Fall Hamza Yalçin entschieden, das Verfahren nicht an die Justiz abzugeben. Sondern hat Kraft eigener Kompetenz das Auslieferungsbegehren der Türkei abgelehnt. Die Gründe sind ganz klar. In der Türkei ist kein rechtsstaatliches Verfahren garantiert. Dorthin abzuschieben, ausliefern wäre höchstproblematisch. Aus diesem Grund denken wir, dass im Fall von Doğan Akhanlı der Ministerrat zur selben Entscheidung kommen muss."
Nachspiel bei Interpol?
Er sei sich nicht ganz sicher, ob er das sonnige Madrid wirklich verlassen wolle, sagt Akhanlı im Scherz. Sein Anwalt fordert, die Fälle der beiden Autoren sollten aber noch ein weiteres Nachspiel haben, und zwar bei Interpol:
"Die Statuten sagen, dass bei einem Anzeichen einer politischen Verfolgung, die durch einen Haftbefehl zu befürchten ist, dieser dann nicht ausgeführt wird und eine Warnung an die 190 Staaten zugleich verschickt wird. Also, dass Interpol aufgrund seiner eigenen Prüfungskompetenz dies machen kann. Und das ist im Fall von Doğan Akhanlı nicht gemacht worden, was ein sehr großes Versäumnis ist. Die Folgen sehen wir ja jetzt, dass er in Madrid festsitzt."