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Türkischer Ministerpräsident
Yildirim hofft auf Bewegung im Fall Yücel

Seit einem Jahr ist der Journalist Deniz Yücel in der Türkei inhaftiert: Der Fall belastet die deutsch-türkischen Beziehungen. Im Interview mit den ARD-Tagesthemen sagte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim nun, er erwarte, dass bald Bewegung in die Sache käme.

Von Christian Buttkereit |
    Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim, hier am 6. Dezmber 2017 in Seoul in Südkorea
    Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim wird heute im Berlin mit Bundeskanzlerin Merkel zusammentreffen. (imago/ZUMA Press)
    Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hat am Abend so manchen Zuschauer der ARD-Tagesthemen mit seinen Aussagen irritiert. Fast klang es so, als wüsste er, dass jetzt endlich Bewegung in den Fall des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel käme, der seit einem Jahr in der Türkei hinter Gittern sitzt – und das Yücel bald freikommen würde:
    "Das entscheide nicht ich. Das entscheiden die Gerichte. Ich hoffe, dass er in kurzer Zeit freigelassen wird. Ich bin der Meinung, dass es in kurzer Zeit eine Entwicklung geben wird."
    Nachgefragt, wie Yildirim seine Aussage, er hoffe, dass Yücel bald freikomme, meine, schränkte er ein:
    "Wenigstens wird er vor Gericht erscheinen. Und jede Verhandlung ist eine Chance, damit er frei kommt."
    Es fehlt die Anklageschrift gegen Yücel
    Damit verbreitet Yildirim immerhin mehr Hoffnung als Staatspräsident Erdogan. Der hat im vergangenen Jahr gesagt, solange er an der Macht sei, käme Yücel nicht frei. Er war es auch, der Yücel als deutschen Agenten bezeichnete. Für ein juristisches Verfahren fehlt bislang eine Anklageschrift. Warum die nach einem Jahr immer noch nicht in Sicht sei, konnte oder wollte Yildirim nicht beantworten – mit Verweis auf die Unabhängigkeit der Justiz:
    "Kann denn Frau Merkel in Deutschland ein Gericht anweisen, diesen oder jenen Angeklagten möglichst schnell vor Gericht zu führen beziehungsweise freizulassen?"
    Außer um Deniz Yücel wird es in dem Gespräch bei der Bundeskanzlerin um weitere deutsch-türkische Reizthemen gehen. Die Türkei dringt seit Längerem darauf, dass Deutschland konsequenter gegen die in beiden Ländern als Terrororganisation verbotene PKK vorgeht. Zum anderen verlangt die Türkei, dass Deutschland Türken, die im Verdacht stehen am Putschversuch 2015 beteiligt gewesen zu sein, keinen Unterschlupf gewährt.
    Wirtschafts- und Rüstungsfragen im Fokus
    Wenn Yildirim – so wie in den Tagesthemen - vorschlägt, die Vergangenheit zu vergessen und im deutsch-türkischen Kapitel eine neue Seite aufzuschlagen, dann dürfte es vor allem um Wirtschafts- und Rüstungsfragen gehen. Darüber hatten auch schon die Außenminister beider Länder, Cavusoglu und Gabriel Ende vorherigen und Anfang des Jahres gesprochen. Reden könne man schließlich über alles, meint Kristian Brakel, Leiter der Heinrich Böll-Stiftung in der Türkei:
    "Ich glaube, diese Gespräche, die Gabriel mit Cavusoglu geführt hat, in Goslar, in Antalya, dass das prinzipiell richtig ist. Es ist Teil von Diplomatie, dass man auch mit schwierigen Gesprächspartnern sprechen muss, auch durchaus über Themen, die eher unangenehm sind. Was jetzt genau hinter den Kulissen passiert ist, also ob es wirklich diesen Eins-zu-eins-Austausch Panzer gegen Deniz gegeben hat oder geben sollte, das kann ich nicht beurteilen."
    Eine Nachrüstung türkischer Leopard-II-Panzer ist seit dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien zunächst auf Eis gelegt. Auch ein geplantes deutsch-türkisches Joint-Venture zum Bau einer Panzerfabrik wird warten müssen – zumindest bis Deniz Yücel wirklich frei ist.