Etwa 1.500 Menschen jubeln, als der Mann auf die Bühne kommt, den sie als ihren Hoffnungsträger sehen: Selahattin Demirtas; Co-Vorsitzender der prokurdischen, linken HDP, der Demokratischen Partei der Völker. Der Saal ist viel zu klein für die Menge, die ihn in Berlin sehen und hören möchte. Hunderte müssen draußen bleiben. Anders als bei Wahlveranstaltungen der anderen türkischen Parteien, ist hier keine einzige Fahne zu sehen.
Der kurdische Politiker bedankt sich für die Unterstützung bei der letzten Wahl im vergangenen Juni und sagt, Staatspräsident Erdogan und seine AKP hätten bewusst eine Regierungsbildung verhindert.
"Erdogan und seine Leute haben während ihrer langen Regierungszeit alle Vorbereitungen getroffen, das sogenannte Präsidialsystem einzuführen. Heute darf die Regierung ohne die Zustimmung Erdogans keine Entscheidungen treffen. Kein Staatsanwalt, kein Richter darf Erdogan anklagen oder gegen ihn ermitteln. Das Verfassungsgericht, alle Justizorgane sind unter seiner Kontrolle. Er hat sie alle in der Hand."
Seit 2014 dürfen auch im Ausland lebende Türken ihre Stimme abgeben
Die HDP vereinte bei der letzten Wahl neben Kurden auch linke türkische Gruppen, Frauenaktivistinnen, Lesben und Schwule sowie Angehöriger verschiedener Glaubensgemeinschaften in ihren Reihen. Sie zog mit 13 Prozent der Stimmen ins türkische Parlament ein und beendete damit die Alleinherrschaft der islamisch-konservativen AKP. Seit letztem Jahr dürfen auch im Ausland lebende türkische Staatsbürger ihre Stimmen abgeben. In Deutschland gibt es 1,4 Millionen Wähler – davon 140.000 in Berlin. Die Stimmen aus dem Ausland seien für die HDP besonders wichtig, erklärt Demirtas seinen Anhängern.
Die Auslands-Stimmen, erklärt Demirtas, werden auf die landesweite Stimmverteilung der Parteien addiert. Bei der letzten Wahl hatten diese Stimmen der HDP in einer westlichen türkischen Provinz ein zusätzliches Mandat gesichert.
Hoffnungsträger nicht nur für Kurden
Der 42-jährige Demirtas galt vor der letzten Wahl als Hoffnungsträger nicht nur für Kurden, sondern auch für viele andere Menschen, die Erdogans immer despotischer werdende Politik beenden wollten. Seine Partei gilt als PKK-nah. Demirtas hatte vor einigen Wochen die PKK aufgefordert, die Waffen niederzulegen. Dafür war er von deren Führung kritisiert worden. Aber er hält an einer politischen Lösung der Kurdenfrage fest. Und so forderte er wieder eine endgültige Waffenruhe. Das Problem könne nur im Parlament gelöst werden, sagte Demirtas. Die Botschaft kommt an. Demirtas' Anhänger, Frauen, Männer, alt und jung, Kurden und Türken, Sunniten und Aleviten – sie alle jubeln.
Stimmen aus dem Publikum:
"Die Aussage, dass es keine Ethnienunterschiede gibt, dass wir alle gleichgestellt sein sollen, dass alle Religionen und alle Minderheiten gleichgestellt werden sollen, das hat mir am meisten gefallen."
"Ich fand's sehr anregend und motivierend. Er hat uns wieder viel Kraft und Mut gegeben."
"Wenn die HDP nicht ins Parlament kommt, dann haben wir die Gefahr einer Diktatur."