Es war gegen halb zehn am Abend im großen Saal des Senatshotels in der Kölner Innenstadt, als der türkische Wirtschaftsminister zu einem Frage-Antwort-Spiel ansetzte:
Wer habe die Türkei zur 16. größten Wirtschaftsnation der Welt gemacht?, fragte Nihat Zeybekçi da. Wer werde die Türkei nach dem 16. April zur 10. Größten machen? Die Antwort war jeweils gleich:
"Recep Tayyip Erdogan.”
Und deshalb, nahm der Wirtschaftsminister den Ball auf, sagen wir beim Referendum?
"Evet!"
Evet - Ja. Gut anderthalb Stunden hatte Zeybekçi da bereits vor etwa 350 begeisterten Zuhörern und zahlreichen Medienvertretern gesprochen. Und anders als bei seinem Auftritt am Nachmittag in Leverkusen, wo er bei einer Kultur-Veranstaltung ein Grußwort hielt, war der Abend in Köln politisch, eine klassische Wahlkampf-Rede, die immer wieder von begeisterten Rufen unterbrochen wurde: "Recep Tayyip Erdogan.”
Kritik an Massenentlassungen verbat er sich
Zu Beginn übermittelte Zeybekçi Grüße von Staatspräsident Erdogan, bedankte sich, dass er in Deutschland auftrete dürfe und nannte die Bundesrepublik ein "Haus der Freunde", auch wenn er dann - leicht süffisant - anmerkte, dass sein Besuch ja etwas Stress ausgelöst habe. Diesen versöhnlichen Tönen folgte aber eine provozierende Rede, getreu dem Tenor: Wir gegen die. Zeybekçi beschwor die Verdienste Erdogans, warb für das umstrittene Präsidialsystem, da die Türkei, das habe die Vergangenheit gezeigt, einen starken Mann benötige. Kritik an Massenentlassungen nach dem Putschversuch verbat er sich, verwies auf 500.000 Beamte, die in Deutschland der Wende 1989 grundlos entlassen worden seien. Es schien nicht so, als müsste unter den frenetischen Erdogan-Anhängern im Saal noch jemand motiviert werden, am Referendum teilzunehmen oder gar mit Ja zustimmen. Dementsprechend eindeutig war auch das Meinungsbild im Anschluss:
"Ich denke, dass wir viel stärker werden. Und alles sicherer, keine Terroranschläge oder Economy-Krisen."
"Das wird nur Positives bringen."
Proteste: Polizei hatte wenig zu tun
Kein Wort dagegen vom türkischen Wirtschaftsminister zu Erdogans Vorwurf, in Deutschland herrschen angesichts der Redeverbote für seine Minister "Nazi-Praktiken", auch kein Wort zum inhaftierten deutschen Journalisten Deniz Yücel. Dessen Situation wurde dagegen vor dem Hotel aufgegriffen: "Freiheit für Journalisten" oder "Keine Werbung für Diktatur" stand dort auf Plakaten von Demonstranten, wo es auch zu Wortgefechten kam:
"Wir leben hier in Freiheit und bei ihnen darf man gar nicht." - "Also, sie sagen, dass das ein Diktator ist. Ich sage, dass das unser Präsident ist." - "Dann gehen Sie doch." - "Ihr Präsident ist Angela Merkel, Alter."
Die Kölner Polizei, die mit einer Hundertschaft vor Ort war, musste nur vereinzelt beruhigen, war ansonsten, so Sprecher Thomas Held, nicht gefordert - und auch nicht vorab informiert worden:
"Das ist eine Versammlung, die nach dem Versammlungsgesetz nicht angemeldet werden muss. Aber es ist davon auszugehen, dass hier Gegenprotest stattfinden wird. Etwa 30 Personen sind hier schon aufgetreten, zeigen Plakate und protestieren gegen diese Versammlung."
Bis in den Abend blieb es ruhig, sodass auch Mitorganisator Bülent Bilgi, Generalsekretär der Union Europäisch-Türkischer Demokraten, kurz UETD, zufrieden Bilanz zog:
"Wir befürworten die Verfassungsänderung und ich denke, soweit uns in Deutschland die Meinungsäußerung nicht verboten wird, werden wir dort natürlich diese Plattform weiterhin auch bieten."
Versöhnliche Töne gegen Ende
Weitere konkrete Termine für Ministerauftritte gebe es jedoch bislang nicht:
"Sie wissen, es ist auch schwierig in diesem Augenblick, irgendwelche Veranstaltungen zu planen, denn im Anbetracht der aktuellen Situation ist es auch nicht so, dass man das weiterhin Ausreizen sollte. Vielleicht legt sich das Ganze ein bisschen, dass man dann weitere Veranstaltungen plant. Denn wir rufen auch zur Besonnenheit auf. Die Situation wird im Moment aufgebauscht und das kann nicht im Interesse der türkischen Community in Deutschland sein."
Versöhnliche Töne gegen Ende, deren Halbwertszeit allerdings wohl eher gering sein dürfte. Spätestens am 16. April jedoch, so ein Besucher am Abend, am Tag des Referendums, werde sich das deutsch-türkische Verhältnis dann wieder entspannen. Sie werden schon sehen, sagte er noch.