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Tumorerkrankungen
Sport hilft Krebspatienten

Krebskranken wird heute Sport und Bewegung angeraten. Für eine aktuelle Studie haben Sportmediziner der Deutschen Sporthochschule Tumorpatienten für einen Halbmarathon trainiert. Ein positiver Einfluss des Laufens ist die generelle Stärkung des Immunsystems und die Aktivierung körpereigener Killerzellen.

Von Isabel Fannrich-Lautenschläger |
    Mit 37 erfuhr Silke Albrecht, dass sie Brustkrebs hat. Heute, vier Jahre später, gehe es ihr nach Operation, Chemotherapie und Bestrahlung gut, erzählt die Kölnerin. Schon während der Behandlung habe sie sich viel bewegt und lange Spaziergänge gemacht.
    "Und hab einfach gemerkt, das tut mir gut, auch Fahrrad fahren. Und bin dann, als ich alles überstanden hatte, die restlichen 500 Kilometer des Jakobswegs gegangen. Und danach ging's mir richtig gut."
    Dass Krebskranke nicht nur Sport treiben können, sondern auch sollten, sei lange Zeit nicht erkannt worden. Wie der Sportmediziner Freerk Baumann erzählt, bekamen Tumorpatienten selbst in den 1980er und 1990er-Jahren häufig noch zu hören: "Bitte nicht bewegen! Dann ging's rüber in die moderate sanfte Aktivität: bitte nicht anstrengen! Diesen Aspekt der anstrengenden Intervention können wir jetzt nicht mehr per se verbieten. Und das ist eine ganz wichtige Botschaft, die sofort - auch im Übrigen unterstützt noch durch andere Daten international - ganz dringend in die Versorgung übertragen werden muss. Um einfach den Schrecken, die Verunsicherung bei den Patienten zu nehmen. Damit sie einfach in ein erhöhtes Aktivitätsniveau wieder kommen."
    Training wirkt positiv auf Körper und Stimmung
    Die Deutsche Sporthochschule Köln untersucht derzeit die Auswirkungen von Bewegung auf Tumorerkrankungen. Die beteiligten Sportmediziner stellten auf dem Deutschen Krebskongress in Berlin ihr sogenanntes Halbmarathon-Projekt vor: Sie hatten 15 Tumorpatienten und -patientinnen in der Zeit der Nachsorge - und zum Vergleich auch 15 Gesunde - mit individuellen Trainingsplänen auf den Lauf vorbereitet.
    Nach einem halben Jahr mit drei- bis fünfmal die Woche Laufen, Ausdauer- und Krafttraining hätten alle den Halbmarathon geschafft.
    Silke Albrecht erzählt: "Also ich war total begeistert, dass ich das geschafft habe. Und das, was mich auch fasziniert hat, war, als ich ankam: Es dauerte keine fünf Minuten, da war die Anstrengung wieder weg, und es ging einfach gut. Es war echt toll."
    Die generelle Empfehlung des Projektteams lautet: Je nach Dauer und Anstrengung drei- bis fünfmal pro Woche Sport treiben, Ruhetage zwischendurch sind wichtig. Und früh damit anfangen, um die Mobilität, Muskelkraft und Ausdauer zu stärken.
    "Unsere Empfehlung bereits jetzt: 24 bis 48 Stunden nach Operation erste bewegungstherapeutische Anwendung am Patienten. Unter Chemotherapie, unter Hochdose-Chemotherapie ist körperliche Aktivität machbar, sogar unter den aggressivsten Chemotherapien. Auch unter Bestrahlung." Resümiert Baumann.
    Stimulierung des Immunsystems
    Noch erforscht werden muss, wie sich Bewegung auf die Körperzellen auswirkt. Warum etwa fühlt sich ein erschöpfter Patient nach sportlicher Aktivität besser? Zentral bei der Bekämpfung des Tumors sei, das Immunsystem zu stärken, sagt Professor Wilhelm Bloch von der Sporthochschule Köln.
    "Die Frage ist nun: Sport - macht das auch eine Aktivierung der natürlichen Killer-Zellen? Und kann Sport unterstützend im Prinzip uns helfen, den Tumor zu bekämpfen und damit dem Patienten sogar die Möglichkeit geben, selber etwas dafür zu tun. Weil das ist ein aktives Betreiben des Patienten gegen seinen Tumor."
    Tatsächlich fanden die Sportmediziner in ihrer Marathon-Studie heraus, dass sowohl die Gesunden als auch die zuvor an Krebs Erkrankten ihre natürlichen Killerzellen aktivieren und damit die Tumorabwehr stärken konnten.
    Mit einer Empfehlung aber, wie häufig Krebskranke Sport treiben sollen, wollen die Mediziner sich nicht zufriedengeben. Ihnen geht es darum, ähnlich wie bei Medikamenten, die Dosis und ihre Wirkung je nach Krebserkrankung und Krankheitsphase individuell abzustimmen, um einen maximalen Therapieerfolg zu erreichen. Vielleicht könnte Sport irgendwann dazu beitragen, selbst eine Chemotherapie besser zu vertragen.