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Tumortherapie im Rollcontainer

Das "Organ Care System" (OCS) ermöglicht es, Lungen von Krebspatienten isoliert zu behandeln. Dazu wird das Organ herausgenommen, in einem gläsernen Kasten versorgt und in Abwesenheit des Patienten separat behandelt. Zum Beispiel mit Strahlen oder chemotherapeutisch.

Von Michael Engel |
    Der Blick ist gewöhnungsbedürftig. Eine rosa glänzende Lunge liegt isoliert in einem gläsernen Kasten mit Schläuchen versorgt. Doch sie bewegt sich. Das Organ bläht sich im Takt der Beatmungsmaschine auf und wird dabei pulsierend mit einer Nährlösung durchspült. Genau wie im Brustkorb eines Menschen. Das "Organ Care System" – so der Name der eigenartigen Maschine – arbeitet bei Körpertemperatur, erklärt Dr. Bettina Wiegmann von der Medizinischen Hochschule Hannover:

    "Das Zentrum des Ganzen ist eigentlich so ein Gerät, worüber man den Kreislauf im Endeffekt mit Sauerstoff anreichern kann und das CO2 daraus eliminieren kann. Dieser gläserne Kasten dient lediglich dazu, dass man dort die Lunge einbauen kann, und dass man da die Möglichkeit hat, die Lunge zu ventilieren, das heißt, zu beatmen, und die Lunge zu perfundieren, das heißt also mit Blut oder einer Perfusionslösung zu durchspülen."

    Entwickelt wurde die Maschine für den Transport von Organen auf langen Strecken. In den USA sind die Wege zwischen Organspender und Empfänger häufig sehr weit. Eisgekühlt in Plastikbeuteln – wie bisher üblich - hält ein Herz aber nur fünf Stunden, bei Lungen sind es sieben Stunden. Statt einer Reduktion des Stoffwechsels durch Eisbeutel verfolgt das "Organ Care System" den umgekehrten Weg. Das Organ wird durchblutet und auf Körpertemperatur gehalten. So kann die Zeit problemlos verdoppelt werden, sagt Prof. Axel Haverich von der Medizinischen Hochschule Hannover.

    "Wir können mit dem System hinfahren, die Lunge explantieren, in das System hängen und können während des Transportes – also während der Dauer der Konservierung – sehen, wie tatsächlich die Funktion ist. Und das ist dasselbe beim Herzen übrigens. Auch hier ist es so, bei den wenigen Versuchen, die wir hier gemacht haben, dass wir Herzen, die als zu schlecht galten, "recovered" haben - also wieder verbessert haben in ihrer Funktion und sie dann transplantieren konnten, was wir ohne das System nicht hinbekommen hätten."

    15 Lungen wurden mit Hilfe des Organ Care Systems im Rahmen einer multizentrischen Studie transportiert und auch transplantiert. Das System funktioniert. Die eigentlichen Stärken des Gerätes sieht der Transplantationsmediziner allerdings woanders. In der Krebstherapie der Lunge - außerhalb des betroffenen Patienten:

    "Wenn wir an die Tumoren denken, wäre es möglich, die Lungen zu bestrahlen in dem System, das haben wir bereits gemacht. Wir haben Vorversuche hier gemacht. Wir können eine hervorragende Diagnostik machen in der Lunge, die nicht im Patienten drin sitzt, und wir können natürlich mit den Zytostatika, mit der Chemotherapie, in Dosisbereiche hinein gehen, die für die Verwendung am ganzen Patienten prohibitiv, das heißt, viel zu gefährlich und verboten wäre."

    Die Bestrahlung der Lunge – so der Plan - erfolgt im Organ Care System. Denn dort ist es steril. Das Gerät passt sogar in die Röhre eines Kernspintomografen, um den Tumor zu lokalisieren. Bei einer Chemotherapie wiederum werden die Zytostatika der Nährlösung beigemischt. Patienten müssten die Zeit der externen Organ-Behandlung mithilfe einer Herz-Lungen-Maschine im künstlichen Koma überbrücken. Der innovative Ansatz wird vorerst im Tierversuch – mit den Organen von Schweinen – ausgelotet.

    "Dies ist eine Lunge, die man natürlich ohne Mühe mal für eine halbe Stunde anhalten kann von der Beatmung, sodass auch keine Bewegungsartefakte drin sind, das was sonst bei der Bestrahlung der Lunge zu Problemen führen kann, und unsere Radiotherapeuten, die die Strahlentherapie machen, sind absolut begeistert und bei der Stange, wenn es um die Entwicklung solcher Konzepte geht."

    In Versuchen mit explantierten Schweinelungen konnte die 24-Stunden-Marke schon überschritten werden, ohne dass die Organe geschädigt wurden. Für die Bestrahlung würde es reichen, nicht aber für eine Chemotherapie, weil das mehrere Tage dauert. Ob die Organe dann auch auf Dauer geheilt sind, ob sie nach der Reimplantierung im Körper einwandfrei funktionieren, das sollen die nun folgenden Versuchsreihen zeigen. Klinisch gesehen könnte alles sehr schnell gehen, so Haverich. Erste Heilversuche bei Krebspatienten, denen anders nicht mehr geholfen werden kann, sieht der Chirurg schon in ein bis zwei Jahren.