In Tunesien gibt es etwa 250 Unternehmen aus Deutschland. Sie beschäftigen ungefähr 55.000 Menschen. Viele dieser Firmen waren auch schon vor der tunesischen Revolution im Land. Sie sind geblieben, trotz der vielen unruhigen Phasen nach dem Sturz der Diktatur Ben Ali. Die spannende Frage ist: Warum investieren nicht mehr deutsche Unternehmen in Tunesien? Möglicherweise, weil sie abgeschreckt sind von Medienberichten über Streiks und Demonstrationen, über quälende Bürokratie und Korruption im Land. Premierminister Youssef Chahed versucht neuerdings zu glaubwürdig zu zeigen, dass er Korruption bekämpfen will:
"Man hat nicht allzu viele Möglichkeiten im Kampf gegen die Korruption. Entweder wählt man die Korruption oder den Staat - ich habe mich für Tunesien entschieden!"
Kurz darauf wurden zehn Männer festgenommen. Ihnen wird Korruption und Verschwörung gegen die Sicherheit des Staates zur Last gelegt. Etliche der Beschuldigten hatten bisher gute Verbindungen zur politischen Elite in Tunesien und betrieben dennoch oder gerade deshalb zwielichtige Geschäfte in einer Grauzone von Schmuggel, Politik und Zollverwaltung. Michel Ayari, Tunesien-Experte der Denkfabrik International Crisis Group, konstatiert: Die staatlichen Institutionen sind zu erheblichen Teilen unterwandert:
"Die Logik des Geldes hat sich breit gemacht. Das ist ein bisschen wie in Italien. Die Macher, die reichen Geschäftsleute dringen in alle Bereiche vor. Sie finanzieren im Hintergrund die politischen Parteien."
Neues Investorengesetz reicht offenbar noch nicht aus
Damit sichern sie sich Einfluss. Auch auf Entscheidungen über Investitionen. Angesichts dieser Situation hilft es nur begrenzt, dass Tunesiens Regierung für ihr neues Investorengesetz gelobt wird. Das klingt zwar gut, aber viele fragen sich, ob es dann auch im Alltag tatsächlich so angewendet wird. Oder ob es doch innerhalb der Bürokratie immer noch viel zu komplizierte und lange Abläufe gibt, viel zu mächtige Interessengruppen und auch zu viele, die die Hand aufhalten.
Hinzu kommen die Demonstrationen. Beispielsweise im notorisch armen Süden Tunesiens. Menschen wie der arbeitslose Mohammed fordern dort seit Wochen mehr Investitionen, mehr Infrastruktur, mehr Arbeitsplätze und lassen ihrer Enttäuschung freien Lauf:
"Die Regierung, das sind doch Diebe! Wer in Tunesien einen Posten bekommt, der denkt an nichts anderes mehr, als seine Taschen zu füllen." Die Menschen haben kein Vertrauen in einen Staat, der viel verspricht und wenig hält.
Die G20-Initiative "Partnerschaft mit Afrika" will versuchen, dennoch mehr private Investoren in Staaten wie Tunesien zu locken. Dafür sollen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Das Ziel ist, für mehr Infrastruktur, verlässlichere Institutionen, mehr Wirtschaftswachstum und damit auch mehr Arbeitsplätze zu sorgen. Die afrikanischen Teilnehmer-Staaten sollen in der Partnerschaft vor allem für Reformen im eigenen Land sorgen.
Tunesien ist ein Beispiel dafür, viel langwierig und mühsam dieser Weg sein kann. Immerhin: Tunesiens Wirtschaft hofft auf ein Wachstum von 2,5 Prozent im laufenden Jahr. Aber selbst der Internationale Währungsfonds IWF sagt klipp und klar: Das ist viel zu wenig, um ausreichend Arbeitsplätze vor allem für junge Menschen zu schaffen.