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Tunesien
Handballerinnen kämpfen für die Rolle der Frau

Die tunesische Handball-Nationalmannschaft der Frauen zählt zu den besten Afrikas. Staatlich gefördert wird das Team nicht – im Gegensatz zu den Männermannschaften. Eine ehemalige Handballerin will die Rolle der Frau im Sport ändern und hat ihre eigene Frauenhandball-Mannschaft in Tunis gegründet.

Von Ann-Kathrin Stracke |
    Tunesien gegen Dänemark bei der Handball-Weltmeisterschaft der Frauen in Dänemark im Dezember 2015.
    Tunesien gegen Dänemark bei der Handball-Weltmeisterschaft der Frauen in Dänemark im Dezember 2015. (AFP - Henning Bagger)
    Maroua Dhaouadi ist eine der Handballhoffnungen Tunesiens. Die 23-Jährige spielt in der ersten Frauenhandball-Mannschaft von Mégrine in Tunis. Dreimal die Woche trainieren die jungen Frauen in der Halle, im Sportpark in der Hauptstadt. Maroua spielt seit zwölf Jahren Handball – für sie ist dieser Sport Leidenschaft und Berufung zugleich. Dass sie als muslimische Frau diesen Sport macht, ist für Maroua völlig normal. Sie weiß aber auch, dass sie und ihre Teamkolleginnen als Handballerinnnen in Tunesien eine große Ausnahme sind, denn es gibt nur wenige Frauenteams:
    "Man muss die Frauen in Tunesien motivieren, Sport zu machen und die Mentalität ändern, dass der Sport eben nicht nur Männersache ist, sondern auch für Frauen da ist. Wir sind Muslime - einige denken, dass die Frau zu Hause bleiben muss - ich habe diese Mentalität nicht! Wir leben im Jahr 2016. Vielleicht müssen wir auf diesem Terrain alles geben, für die Frauen, die uns zuschauen, damit wir sie begeistern können.
    Bis vor einem Jahr hat sie in Nantes in der ersten Liga in Frankreich gespielt. Dann hat sie sich verletzt und ist nach Tunesien zurückgekehrt.
    Kein Kopftuch? Kein Thema!
    Auch Team-Kollegin Safa Ameri spielt seit über zehn Jahren Handball, ist Muslima und trägt kein Kopftuch - wie übrigens alle hier im Team. Das sei Zufall, sagen alle. Für die Spielerinnen ist das hier kein Thema. Für sie bedeutet Handball vor allem eins:
    "Das ist ein Abreagieren - nach der Arbeit, nach dem Studieren kannst Du dich dabei abreagieren. Du kannst dich gehen lassen. Du rennst, Du machst deine Runde - natürlich nach den Regeln. Handball hat wirklich einen großen Einfluss auf mein Leben."
    Ihr Team gibt es erst seit zwei Jahren. Gegründet hat es Hana Guenaoui, weil sie den Frauenhandball in Tunesien nach vorne bringen und damit auch die Rolle der Frau in der Gesellschaft verändern will. Heute ist sie Präsidentin des Clubs Mégrine. Im Training legt sie extrem viel Wert auf Teamgeist.
    "Ich habe mir selber die Challenge gesetzt, eine gute Mannschaft zu haben, in der ich mich viel um soziale Dinge kümmere. Wir arbeiten sehr am Teamzusammenhalt und, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Wir versuchen mit dem ganzen Team, den Begriff der Frau in Tunesien zu verändern. Ich hoffe, wir schaffen das. Wir spielen noch nicht um Titel, aber wenn wir weiter so arbeiten, werden die von alleine kommen.
    Gegenseitige Inspiration
    Für Maroua und Safa ist Hana Geunaoui ein großes Vorbild. Die kleine, sportliche Frau pendelt zwischen Paris und Tunis. Sie redet schnell und gestikuliert viel. Staatlich gefördert wird Frauenhandball in Tunesien nicht - im Gegensatz zum Männerhandball. Und das, obwohl die tunesische Frauen-Handball-Nationalmannschaft erst 2014 Afrikameister geworden ist. Zurzeit ist es nach Angola das zweitbeste Team in Afrika.
    Hana Geunaoui akzeptiert diese Ignoranz der tunesischen Funktionäre gegenüber dem Frauensport nicht. Deswegen hat sie es als Präsidentin von Mégrine selber in die Hand genommen, den Frauenhandball nach vorne zu bringen. Denn sie weiß, wie wichtig Sport für das Selbstwertgefühl der jungen Frauen im Alltag ist:
    "Eine Frau, die raus geht, die eine Shorts trägt, ist eine unabhängige Frau. Das Training hilft ihnen, sich selber zu trainieren, aber auch das Feeling für die Gruppe zu bekommen. Und man kann viel Stress abbauen – das ist hier wie eine Familie. Ich liebe das. Ich mag es, die Mädels so zu spielen zu sehen, glücklich zu sein. Wenn sie ein Spiel haben, sage ich ihnen immer: 'Die Hauptsache ist, dass ihr gut spielt, auch wenn ihr verliert.'"
    Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit
    Meistens spielen die Handballerinnen von Mégrine am Wochenende vor leeren Rängen. Maroua und Safa kennen das nicht anders. Aber sie finden es schade. Schließlich kommen bei den Männerspielen immer viele Zuschauer.
    Sie würden sich wünschen, dass mehr muslimische Frauen Handball spielen. Egal, ob mit Kopftuch oder ohne.
    Ihr Sport ist brutal - das schreckt viele Frauen ab. Maroua und Safa bedauern das.
    Maroua: "Für die Frauen hat das eine besonderen Bedeutung: Handball steht unter den Sportarten, bei denen man viel Körperkontakt hat, weltweit an zweiter Stelle. Das ist ein bisschen gefährlich. Ich liebe Frauen, die Handball spielen. Für mich sind das perfekte Frauen."