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Tunesien
Mutige Kämpferin gegen Polizeigewalt

In Tunesien werden Menschen immer wieder Opfer willkürlicher Polizeigewalt. Viele haben keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Khouloud Ajlani hilft ihnen, ihre Rechte einzufordern und macht sich damit viele Feinde.

Von Anne Françoise Weber |
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    Khouloud Ajlani hilft Opfern von Polizeigewalt. (Deutschlandradio/ Anne Françoise Weber)
    Khouloud Ajlani – dunkler Lippenstift, stylische Frisur, enge schwarze Jeans und rosa Turnschuhe – betritt mit einem Nachbarn den ärmlichen Hof der Familie Choubani in Sbeitla, einer kleinen Stadt im Westen Tunesiens. Drei Generationen begrüßen die 31-Jährige mit großem Hallo und führen sie zu dem kleinen fensterlosen Raum, in dem Sohn Mosbeh auf einem Bett liegt. Khouloud schlägt vor: "Lass dich erstmal in den Rollstuhl setzen."
    Aber da sind schon Stühle herbei geschafft und alle setzen sich zu Mosbeh. Der junge Mann mit dem fast kahl rasierten Schädel trägt den linken Arm in der Binde und hält den Kopf ständig ein wenig schief – auf einem Auge kann er nichts mehr sehen, an seiner rechten Schädelseite ist an einer Stelle unter der Haut kein Knochen zu ertasten. Auch ein Bein kann er nicht mehr bewegen.
    Einsatz für Opfer
    Was genau da Ende November auf der Polizeistation passiert ist, weiß er nicht mehr. Wie viele andere war er in den Revolutionswirren 2011 bei einem Brand aus dem Gefängnis ausgebüxt. Dort saß er nach einem Diebstahl – den er selbst bestreitet - ein. Doch drei Polizisten nahmen ihn sechs Jahre später fest. Unter ihnen war wohl ein Verwandter des angeblich Bestohlenen. Sollte der ihm aus Rache mit einem Stuhl auf den Kopf geschlagen haben? Khouloud jedenfalls bekam Informationen zugespielt.
    "Man hat mich angerufen und mir gesagt, dass jemand zusammengeschlagen wurde, und dass die Polizei damit zu tun haben könnte. Ich habe die Familie befragt und wir haben eine Mahnwache im Stadtzentrum organisiert. Dann habe ich einen Rechtsanwalt hergebracht, die tunesische Menschenrechtsliga und eine Hilfsorganisation. Ich habe ein Video auf Facebook gestellt und es vielen Leuten geschickt. Seither wird die Sache immer größer."
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    Khouloud und Mosbehs Mutter (Deutschlandradio/ Anne Françoise Weber)
    Das Innenministerium verneint inzwischen jede Schuld seitens der Sicherheitskräfte. Doch Khouloud vertraut den Beamten weniger als Mosbehs Familie. Sie war zunächst die einzige, die sich um den Fall gekümmert hat, versichert Mosbehs Mutter. Sie selbst war zwar bei der Polizeistation, wurde dort aber beruhigt und wieder weg geschickt.
    "Sie haben dir nichts schriftlich gegeben, sondern dich nur mit Worten vertröstet."
    Druck aus der eigenen Familie
    Khouloud hilft noch Mosbehs Mutter, den Brief zu lesen, in dem der nächste Untersuchungstermin im Krankenhaus mitgeteilt wird. Dann klingelt auch schon wieder eins ihrer beiden Mobiltelefone, die sie fast immer in der Hand hält.
    Später will sich Khouloud mit einer Freundin ein Bier gönnen. Das lässt sich eigentlich ganz gut in der Bar des größten Hotels am Ort trinken – nur sind dort an diesem Abend fast nur Polizisten, manche in Uniform, andere in Zivil. Khouloud kennt sie alle, grüßt freundlich lächelnd und hält ein lockeres Schwätzchen mit einem, der zu ihrem Tisch kommt. Dabei hat sie viele schlechte Erfahrungen gemacht:
    "Es fing an damit, dass ich einen Polizisten gefilmt habe, der in seiner Arbeitszeit mit seiner Freundin geflirtet hat. Dann habe ich einen Polizisten geschlagen, weil er einen Bettler auf der Straße misshandelt hat – ich bin eben zu impulsiv. Seither haben sie mich auf dem Kieker. Sie bedrohen mich, oder setzen mich unter Druck, oder sie warnen die Leute auf der Arbeit vor mir. Es gibt auch die guten, die geben mir Informationen, einfach aus Menschlichkeit. Wenn einer ein Problem hat, seine Papiere machen zu lassen zum Beispiel, dann sagen sie mir Bescheid."
    Khouloud hat keinen festen Job, sondern nur eine minimal bezahlte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Kulturbereich. Umso mehr engagiert sie sich bei der kommunistischen Jugend. Sie weiß, dass sie in diesem konservativen Landstrich stört, hört oft genug, dass sie als Frau doch zuhause bleiben und sich um den Haushalt kümmern sollte.
    "Mein Bruder bekommt Nachrichten, dass ich rauche, dass ich trinke, dass ich Atheistin sei. Er sagt, ich soll Sbeitla verlassen – woanders könnte ich meine Freiheit haben, hier nicht."
    Ihren Heimatort zu verlassen, kommt aber für Khouloud nicht in Frage. In ihren Augen hat die Revolution 2011 nur vorübergehend Besserung gebracht, Polizei und Justiz seien inzwischen wieder genauso ungerecht wie früher. Deshalb hofft sie auf eine zweite Revolution – und glaubt, dass die Zeit dafür bald reif ist.