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Tunnel für die Windkraft

Energietechnik. - Techniker fürchten, dass das Stromnetz die Balance aus Erzeugung, Transport und Verbrauch nicht mehr lange wird halten können. Neue Leitungen müssen errichtet werden, um Windstrom aus dem Norden in den Süden zu leiten. Doch wo diese Stromkabel langgebaut werden müssen, und wie sie die Energie transportieren sollen, ist bislang offen. Heute hat der VDE in Berlin seine Sicht der Dinge vorgestellt.

Von Sönke Gäthke |
    Deutschland braucht ein Stromnetz, vergleichbar mit den Autobahnen, um Energie an den bestehenden Netzen vorbei über weite Strecken zu transportieren. Davon zeigt sich der Verband Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE) überzeugt. Ein einfacher Ausbau einiger Trassen werde weder reichen noch möglich sein, um die angepeilten Strommengen zum Beispiel durch Windkraft im Norden nach Süden zu bringen.

    "Wenn wir uns die Widerstände in der Bevölkerung anschauen, die Akzeptanzprobleme, dann müssen wir uns fragen, nutzen uns etwas die alten Ansätze, oder brauchen wir nicht neue Ansätze, die Erfolg versprechender sind."

    Ein solcher Ansatz besteht in den Augen Martin Pokojskis vom VDE darin, diese neuen Stromleitungen entweder entlang einer Autobahn oder einer Bahnlinie, eines Kanal, eines Flusses oder einer bereits vorhandenen Höchstspannungsleitung zu bauen. Die Untersuchung des VDE zeigte, dass jede Lösung bestimmte Vorteile hat – eine jedoch am besten geeignet wäre:

    "Es gibt leichte Vorteile für die Autobahn, die resultieren insbesondere aus der Möglichkeit einer Wartung, der Zugänglichkeit, des Platzbedarfes."

    Angesichts des Widerstandes gegen Hochspannungsmasten schlagen die Techniker und Ingenieure dabei eine ungewöhnliche Technik vor: Statt der Masten oder eines Kabels in der Erde sollte ein kleiner Tunnel neben die Autobahn gebaut werden. In diesen Tunnel könnten dann die Kabel für das Stromnetz verlegt werden. Dort wären sie geschützt vor der Witterung, würden niemandem auffallen und wären trotzdem durch Einstiege für Wartungsarbeiten leicht erreichbar.

    "Er hat aber einen weiteren, hohen Vorteil im Bereich der Innovationen: Der Tunnel bietet die Möglichkeit, dass wir heute mit der verfügbaren Technik von 320 kV beginnen. Er bietet die Möglichkeit, dass wir morgen das System ertüchtigen zum Beispiel durch 500 kV. Er bietet darüber hinaus auch die Möglichkeit, dass wir einen Systemwechsel durchführen, wenn wir in 20 Jahren vielleicht Supraleiter zur Verfügung haben, dass wir dann auch diese Technik einsetzen. Dass heißt, indem wir eine Entscheidung für einen Tunnel treffen, treffen wir die Entscheidung für ein hoch-innovatives, flexibles System."

    Ein Wechsel von einem Stromübertragungssystem zu einem anderen würde dadurch sehr viel leichter; und auch eine Verstärkung des Stromnetzes bliebe unsichtbar, wäre unter Umständen sogar möglich, ohne neue Genehmigungen einholen zu müssen. Eine erste Verbindung eines solchen Energie-Tunnel Systems könnte dabei die Linie Hamburg-Köln sein. Die könnte gleichzeitig der erste Teil eines ringförmigen Overlay-Netzes sein. Pokojski:

    "Denkbar wäre eine Art Ringsystem das zum Beispiel Hamburg, Köln, Stuttgart, München, Nürnberg, Rostock und wieder zurück Hamburg verbindet. Mit einer Quertraverse mitten durch."

    Am Ende wäre das Overlay-Netz dann tatsächlich eher eine Art Underlay-Structure. Über den Preis so eines Tunnelsystems haben die Autoren des VDEs allerdings keine Aussagen gemacht.