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Turbinenteile aus dem 3D-Drucker

Technologie.- Lasertechnik hält zunehmend Einzug in die Produktfertigung. Einen großen Anteil daran hat das neuartige 3D-Druckverfahren. Das erlaubt es, aus Metallpulver komplexe Bauteile wachsen zu lassen. Profitieren könnte davon vor allem die Auto- und Luftfahrtindustrie.

Von Ralf Krauter |
    Bauteile aus dem 3D-Drucker, erzeugt nach Vorlage einer Computerzeichnung: Für Plastikbauteile ist das längst nichts Besonderes mehr, doch künftig sollen auch Komponenten aus Metall und Keramik vermehrt in 3D-Druckern wachsen. Selective Laser Melting, selektives Laserschmelzen, so heißt das Verfahren, von dem man sich in der Automobil- und Luftfahrtindustrie sinkende Produktionskosten verspricht.

    "Selective Laser Melting ist ein Prozess, der schichtweise arbeitet und ein metallisches Pulver, dass zu Beginn auf einer Stahlplatte aufgetragen wird, schichtweise zu einem Bauteil verfestigt. Das Ganze läuft so ab, dass ein Laserstrahl das Pulver Stück für Stück verschweißt, an der Stelle, wo dann später mal das Bauteil sein soll. Danach senkt sich die Plattform ab, eine neue Pulverschicht wird aufgetragen und der Prozess beginnt von vorne."

    Schicht für Schicht wächst aus dem Pulver ein komplexes Metallbauteil heran, dessen Eigenschaften mit denen eines gegossenen oder geschmiedeten Werkstücks vergleichbar sind, erklärt Thomas Hess vom Triebwerkshersteller MTU in München. Das Prinzip ist dasselbe wie bei den kühlschrankgroßen 3D-Druckern für Plastikbauteile, die heute in vielen Entwicklungslabors stehen. Nur dass zum Verschmelzen der Nickel- oder Titanlegierungen, die beispielsweise in Flugzeugmotoren verwendet werden, Temperaturen von weit über 1000 Grad Celsius erforderlich sind. Man benötigt also viel intensivere Laser der Kilowattklasse. Doch der Aufwand lohnt sich, glaubt Diplom-Ingenieur Thomas Hess.

    "Es ist ein Verfahren, das – wenn man weiß, wie man's anwenden muss – nahezu jegliche Designfreiheit bietet. Es gibt relativ wenige Einschränkungen im Vergleich zum Beispiel zu einem Guss- oder einem Schmiedeprozess. Die langfristigen Potenziale sind eben in Richtung komplexe Bauteile, Leichtbauteile, integrierte Funktionalitäten ziemlich groß. Das ist auch der Grund, warum wir an der Technologie arbeiten."

    In Prüfständen am Boden erprobt MTU seit drei Jahren Turbinengehäuseteile aus dem 3D-Drucker. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Doch bevor aus Pulver gewachsene Metallteile in Flugzeugen zum Einsatz kommen dürfen, müssen sie erst noch aufwendige Zulassungsprüfungen absolvieren. Thomas Hess und Kollegen arbeiten daran, die Technik reif für die Serienproduktion zu machen. Zunächst wollen sie nur bestehende Bauteile durch Varianten aus dem Laserdrucker ersetzen. Doch ihr Ziel ist es, Gehäuseteile, die heute aus mehreren Komponenten bestehen, künftig in einem Stück zu fertigen.

    "Also wenn zum Beispiel ein Flansch irgendwo angeschraubt wird: Wenn man den mitbauen kann und sich irgendwelche Löt- oder Schweißarbeiten, die üblicherweise in der Montage nötig sind, sparen kann, hat man eine große Chance, jetzt schon wirtschaftlich zu sein. Und das ist eben das Interessante dran. Sobald man mehrere Teile ersetzen kann durch eines oder mehrere Arbeitsschritte durch einen ersetzen kann, hat man eine Chance wirtschaftlich zu sein."

    Zur Herstellung von Zahnimplantaten wird selektives Laserschmelzen bereits seit zehn Jahren eingesetzt. Doch für die Produktion größerer Stückzahlen war das Verfahren lange zu teuer. Aber das hat sich mittlerweile geändert, sagt Dr. Ingomar Kelbassa, der zuständige Abteilungsleiter beim Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen.

    "Das Verfahren ist jetzt aufgrund der Forschungsergebnisse der letzten drei, vier Jahre mittlerweile soweit entwickelt, vor allem durch die signifikante Vergrößerung der Auftragraten, dass man mittlerweile eben auch die Wirtschaftlichkeit in einigen speziellen Fällen so erreicht, dass man sagen kann: Man spricht wirklich von generativer Fertigung, die die subtraktive Fertigung ablöst."

    Dank optimierter Strahlführung wachsen die Bauteile aus Metallpulver heute 15 Mal schneller als vor ein paar Jahren. Wirklich flott ist der Herstellungsprozess aber immer noch nicht. Um Hochleistungswerkstoffe zu erhalten, dürfen immer nur haarfeine Pulverschichten aufgetragen und verschweißt werden. Beim Triebwerksbauer MTU arbeitet man mit Schichtdicken von 20 bis 50 Mikrometern. Ein fußballgroßes Werkstück, das den gesamten Bauraum der derzeit verfügbaren 3D-Drucker ausfüllt, dauert da schon mal eine Woche. Doch wenn die Entwicklung weiter so rasant fortschreitet, könnte es mittelfristig auch rentabel werden, größere Komponenten aus Metallstaub wachsen zu lassen. Es wäre der Beginn einer neuen Ära der industriellen Fertigungstechnik.