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Turbulenzen am Münchner Haus der Kunst
Lehren aus dem Museumsskandal

Es kommt nicht oft vor, dass ein Museum mit internationalem Ruf eine Ausstellung aus Geldmangel absagen muss, zumal in einer reichen Kunstmetropole wie München. Nun aber ist am Haus der Kunst genau das passiert. Dlf-Korrespondent Tobias Krone fordert Regeln, die Museumsfürsten Einhalt gebieten.

Von Tobias Krone |
    Das Haus der Kunst in der Prinzregentenstrasse in München, April 2018
    Das Haus der Kunst in der Prinzregentenstrasse in München, April 2018 (imago stock&people)
    In München, der sonst eher braven Landeshauptstadt, darf es in Kunstfragen seit jeher durchaus barock zugehen – ausufernder als in anderen Lebensbereichen. Von Prunksucht und einem gelinden Größenwahn zeugen Schlösser, Museen in spektakulären Kunsttempeln - und manchmal auch Skandale. Dieser aktuelle ist ziemlich peinlich:
    Das Haus der Kunst muss die für den Herbst geplante Ausstellung der Videokünstlerin Joan Jonas absagen, weil ihm das Geld dafür fehlt. Die Schuld dafür lässt sich schnell dem ehemaligen Direktor Okwui Enwezor zuschieben, der sein Amt im Juni überraschend wegen Krankheit niederlegte. Er hatte sich massiv verspekuliert, als er 2016 für seine Postwar-Übersichtsausstellung 4,5 Millionen Euro ausgab – und nicht, wie veranschlagt 1,2 Millionen; offenbar waren viel mehr Werke bestellt worden, als überhaupt ausgestellt werden konnten – das schlägt sich nun auf den Etat nieder, aber auch auf die Bilanz des Direktors.
    Enwezor, der viel gefeierte einstige Leiter der Documenta 11 und der Biennale von Venedig 2015 – er hat eindrucksvoll bewiesen, wie wenig ein genialer Kurator von der Leitung eines Museums verstehen muss. Offenbar hatte der Nigerianer weder ein Gespür für Haushaltsführung noch für Finanzdokumentation: Da die Ausgaben der Mitarbeiter nicht vorab gegengezeichnet werden mussten, weiß man bis heute noch nicht, ob es irgendwo nicht noch weitere offene Rechnungen gibt.
    Doppelspitze soll Finanzdebakel vermeiden
    Das alles klingt furchtbar dilettantisch, aber warum durfte ein Museum so arbeiten? Der Aufsichtsrat des Hauses der Kunst, in dem auch der ehemalige Kultusminister Ludwig Spaenle saß, hätte längst ahnen können, dass Enwezor die Kontrolle über die Finanzen verloren hatte – spätestens als im vergangenen Jahr klar wurde, dass sich der Wirtschaftsprüfungsbericht 2016 ein Dreivierteljahr verspätete. In Zukunft, so heißt es mittlerweile, soll eine Doppelspitze das Haus der Kunst leiten – ein künstlerischer und ein gleichgestellter kaufmännischer Direktor sollen Finanzdebakel wie dieses vermeiden.
    Warum aber hat man Enwezor so lange schalten und walten lassen? Zumal schon seit Jahren Stimmen aus der Belegschaft beklagen, dass er seine Mitarbeiter nicht nach Tarif, sondern nach persönlicher Präferenz bezahlte. Mit dieser Personalpolitik schuf Enwezor ein Klima des Misstrauens. Auch ein Vorwurf des sexuellen Missbrauchs in der Belegschaft geht auf das Konto seiner Amtsführung. Dieses Klima – und die ungerechte Bezahlung sollen sich nun ändern, zumindest wenn es nach dem Sanierer Bernhard Spies geht, dem ehemaligen kaufmännischen Geschäftsführer der Bundeskunsthalle Bonn, den man aus dem Ruhestand nach München gerufen hat. Er räumt gerade auf, so gut es eben geht.
    Sanierung ohne komplette Schließung
    Immerhin gibt es mittlerweile ein paar gute Nachrichten. Das Haus der Kunst muss die Retrospektive des Werkes Jörg Immendorffs, für September geplant, nicht absagen, und nächstes Jahr wird die Sparrunde dann ausgesessen sein. Für die Zeit der Sanierung, die in den kommenden Jahren beginnt, soll das Haus der Kunst wohl nur teilweise und nicht komplett schließen, ließ Ministerin Marion Kiechle in einem Zeitungsinterview durchblicken. Für die gebeutelte Belegschaft ist diese Nachricht besonders wichtig.
    Doch noch klebt der Skandal am Haus der Kunst. Damit er sich nicht wiederholt, sollten Aufsichtsrat und die Staatsregierung endlich für Regeln sorgen, mit denen die Finanzen unter Kontrolle bleiben. Denn auch im barocken München darf es keine Fürsten mehr geben – die für die internationale Strahlkraft und ihr eigenes Ego die Existenz eines Museums aufs Spiel setzen.