Ständige Erniedrigungen, psychische Gewalt und Trainieren trotz großer Schmerzen: Von diesen Erfahrungen berichten gleich sechs junge Kunstturnerinnen im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Die Frauen, darunter auch die Weltmeisterin am Schwebebalken von 2017, Pauline Schäfer, erheben dabei schwere Vorwürfe gegen ihre frühere Trainerin am Bundesstützpunkt in Chemnitz. Auch ehemalige Co-Trainerinnen stützen laut "Spiegel" die Berichte.
Eine Co-Trainerin etwa berichtet in dem Nachrichtenmagazin davon, mehrfach auf die unmenschlichen Trainingsmethoden in Chemnitz hingewiesen zu haben - doch die Verantwortlichen hätten nichts unternommen, um den Methoden ein Ende zu bereiten. Auch der Deutsche Turner-Bund (DTB) steht in der Kritik.
DTB-Präsident verspricht Aufarbeitung und Konsequenzen
Dessen Präsident Alfons Hölzl sagte in der Sendung "Sport am Sonntag" im Dlf, er habe zwar von einem Konflikt gewusst zwischen zwei Turnerinnen und einer Trainerin in Chemnitz, der seiner Darstellung nach auch "gelöst" worden sei. Die Vorwürfe in dem nun berichteten Ausmaß seien ihm und seinen Mitarbeitern jedoch nicht bekannt gewesen: "Mag sein, dass wir hier zu wenig sensibel waren dafür", fügte Hölzl hinzu, "dass man das vielleicht auch merken hätte können."
Hölzl versprach im Dlf, der Turner-Bund werde den Sachverhalt nun aufarbeiten "und dann die nötigen Konsequenzen ziehen". Die betreffende Trainerin sei bereits suspendiert - jedoch müssten die Vorwürfe noch gründlich geprüft werden, womit der DTB bereits eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt habe. Die Aufarbeitung werde auch psychologisch begleitet.
"Wir tolerieren auch keine verbalen Erniedrigungen"
Im Dlf sprach sich Hölzl zudem vehement gegen die im "Spiegel" beschriebenen Trainingsmethoden aus. Unter anderem berichteten die Turnerinnen davon, trotz starker Schmerzen zum Training gezwungen worden zu sein. In einem Fall etwa habe sich herausgestellt, dass eine 13-Jährige längere Zeit mit einem gebrochenen Arm trainiert hatte.
"Auch ein hartes Training kann nur durchgeführt werden auf der Basis von Respekt und Wertschätzung", erklärte Hölzl im Dlf. "Was wir nicht tolerieren, ist ein Training, das negative psychische oder körperliche Auswirkungen für Athletinnen hat."
Oberste Linie, so Hölzl, sei die Persönlichkeitsentwicklung der Turnerinnen und Turner - erst dann kommt das Streben nach Medaillen, nicht umgekehrt. "Wir tolerieren auch keine verbalen Erniedrigungen." Pauline Schäfer und die anderen Turnerinnen, die mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen sind, hätten "mit keinerlei negativen Konsequenzen zu rechnen", versicherte Hölzl.
Aus Zeitgründen haben wir im Programm des Deutschlandfunks am 29.11.2020 eine gekürzte Fassung des Gesprächs gesendet. Online bieten wir Ihnen eine ausführlichere Version zum Nachhören an.