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TV-Doku über Meghan und Harry
Boulevard statt seriöser Journalismus

Das Erste hat sein Programm für einen Film über das britische Herzogspaar Meghan und Harry geändert. Die Reportage wirke inszeniert und lasse viele Fragen unbeantwortet, findet Rezensent Michael Borgers. Als Journalismus müsse man das nicht verkaufen.

Von Michael Borgers |
Prinz Harry (l) und Herzogin Meghan in Australien.
Prinz Harry und Herzogin Meghan in Australien. (picture alliance/Larissa Hinz/dpa)
Das britische Königshaus und ich - lange Zeit war das vor allem eine Geschichte gegenseitigen Desinteresses. Meine erste Erinnerung an Queen Elizabeth? Stammt aus einem Hollywood-Streifen, aus der Nackten Kanone. Die Szene: Die Queen rutscht über eine festlich gedeckte Tafel, die Beine nach oben gespreizt, dazwischen Kommissar Frank Drebin. Gelernt habe ich damals vor allem: Über die Royales darf man sich lustig machen.
25 Jahre danach ist einiges an Adels-Allgemeinbildung hinzugekommen, natürlich. Auch ich lese "Bunte" oder schaue "Leute heute". Aber dieses Gefühl, das Ganze nicht so richtig ernst nehmen zu können, ist irgendwie geblieben. Berichte aus dem Buckingham Palace sind für mich noch immer ein bisschen unwirklich.
Geändert hat sich das eigentlich erst jetzt, Achtung Ironie: dank einer fiktionalen Serie. Seit einigen Jahren rollt ein bekannter Streaming-Anbieter das Leben der Queen in einer Serie auf. Jahrzehnt für Jahrzehnt wird dort erzählt, wie aus Elizabeth und ihrer Familie wurde, wer sie heute sind.
Ein episch erzähltes Meisterwerk mit fantastischen Schauspielern und Bildern. Und dem persönlichen Effekt: Ich schaue Unterhaltungsfernsehen, während ich mit dem Smartphone in der Hand nachzulesen versuche, was da eigentlich genau passiert ist im London und Commonwealth der 50er- und 60er Jahre. Man kann sagen: Mit Anfang 40 bin ich erstmals dabei, interessiere mich.
Ein Reporter, der sich persönlich einbringt
Und dann lese ich das: Das Erste ändert sein Programm für das Königshaus. Eine eigentlich geplante Dokumentation über die Anden musste einer über "Eine afrikanische Reise" von Prinz Harry und seine Frau Meghan weichen. Ein Film, Zitat ARD, "der aktuell weltweit für Schlagzeilen sorgt" und nun "exklusiv in Deutschland" gezeigt werde.
Harry und Meghan würden darin "ungewöhnlich offen über ihr Verhältnis zur britischen Presse" sprechen, versprach die ARD. Zudem hätten die beiden mit dem traditionellen Tabu des britischen Königshauses gebrochen: "Never complain, never explain", "Beschwere Dich nicht, erkläre Dich nicht".
Klingt wie großes, seriöses Doku-Kino – und wirkte am Ende leider wie billiges Boulevard-TV. Gemacht von Reporter Tom Bradby, der sich selbst unerträglich persönlich einbringt. Der in einer Szene seine eigene psychische Erkrankung auf Prinz Harry übertragen will. Und der es schafft, insgesamt mehr Fragen aufzuwerfen, als am Ende zu beantworten, vor allem die Kritik an der britischen Presse betreffend: Was genau heißt es, wenn unfair berichtet wird? Warum hat Meghan geklagt? Gegen welche Zeitung?
Keine Grenzen zwischen Wirklichkeit und öffentlicher Inszenierung
Andere Teile der Doku wirken arg inszeniert; Harry alleine unterwegs und die Reporter-Stimme aus dem Off raunt: "Harry wirkt recht einsam, wenn er die Straße entlang geht, die durch seine Mutter berühmt wurde."
Immer wieder betont der Reporter, wie lange er die Königsfamilie schon kennt und begleitet. Und vielleicht ist genau das das Problem: Die meisten kennen diese Welt - wie ich - inzwischen vor allem aus Hochglanzproduktionen, aus Hollywoodfilmen und -serien. Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und öffentlicher Inszenierung sind längst verschwommen.
Aber nennen Sie mir einen vernünftigen Grund, warum jetzt auch noch Reporter zu Fans werden sollten - und die ARD das zur Prime Time als Journalismus verkauft.