Die Moderatorin spricht von "den wichtigsten Wahlen, die wir jemals erleben werden". Ganz altmodisch dürfen die beiden Kandidaten zunächst ein Eingangsstatement abgeben.
"Wir wollen ein gerechtes Großbritannien", verspricht Labour-Chef Jeremy Corbyn. Soziale Gerechtigkeit steht bei ihm wie vor zwei Jahren bei den Neuwahlen ganz oben, der Brexit dagegen erst am Ende seiner Liste.
Wirtschaft, Klimakrise, das Gesundheitssystem und dann erst kommt für Corbyn der Brexit. Für Premierminister Boris Johnson ist das erwartungsgemäß anders. Zwar hat er das Land nicht wie versprochen zum 31. Oktober aus der EU führen können. Aber Johnson preist sich damit an, dass er einen neuen Vertrag mit der EU erreicht hat.
"Ob Sie beim Referendum für oder gegen die EU gestimmt haben, die Menschen wollen endlich, dass der Brexit umgesetzt wird. Wir haben einen Vertrag, mit dem können wir sofort loslegen."
Corbyn beim Brexit in der Defensive
Sein Brexit sei ofenfertig, wird Johnson immer wieder sagen: also einfach aufbacken, während es bei Jeremy Corbyn viel länger dauern würde: das ganze kommende Jahr.
Corbyn befindet sich beim Brexit erkennbar in der Defensive: "Wir werden mit der EU binnen drei Monaten einen neuen glaubwürdigen Vertrag ausarbeiten. Innerhalb von sechs Monaten wird dieser Vertrag dann einer Volksabstimmung vorgelegt. Dann stimmen die Menschen darüber ab, ob sie für diesen Vertrag sind oder für die Mitgliedschaft in der EU."
Aber die Achillesferse des Labour-Vorsitzenden wird sichtbar: wie stimmt er denn dann selbst beim zweiten Referendum ab? Keine Antwort.
Das Publikum beginnt zu murren, aber auch weil Boris Johnson noch x-mal darauf herumreitet. Corbyn wirkt angespannter als Johnson, doch gelegentlich gelingen ihm durchaus schlagfertige Antworten. Zum Beispiel als Johnson ihm vorwirft, er werde sich von Nicola Sturgeon, der schottischen Ersten Ministerin erpressen lassen.
Zankapfel National Health Service
Ihr Preis für eine Koalition sei die Zusage Labours für ein neues Unabhängigkeits-Referendum in Schottland. "Eine chaotische Koalition" werde das werden, höhnt Johnson. "Wir haben schon seit neun Jahren eine chaotische Koalitionsregierung", dreht Corbyn den Spieß um.
In seinem Element ist der Labour-Chef dann beim NHS, dem staatlichen Gesundheitssystem. Genüsslich zückt er ein Dokument aus der Tasche, das angeblich beweist: Johnson will den NHS von US-Konzernen teilprivatisieren lassen. "Sie verkaufen unser nationales Gesundheitswesen an die USA".
Es ist eine Hauptangriffslinie von Labour: Die Konservativen wollen den Brexit, um die Märkte gefügig für US-Konzerne zu machen, besonders beim NHS. Johnson dementiert. "Das ist eine Erfindung und völlig falsch". Johnson listet stattdessen auf, wie viel Geld er für die Gesundheit aufwenden will. Johnson hat gerade vor wenigen Tagen angekündigt, deswegen darauf zu verzichten, die Unternehmenssteuern zu senken.
Pflaumenmus für beide Hobbygärtner
Eine Stunde lang beharken sich die beiden Parteichefs, selten sprechen sie sich direkt an. Man spürt geradezu physisch, wie groß die gegenseitige Abneigung ist. Das Publikum will am Ende aber etwas Versöhnliches hören. Beide Seiten sollen aufeinander zugehen, Gräben zuschütten. Ein junger Mann fragt, was die beiden sich gerne gegenseitig zu Weihnachten schenken würden.
"Ich würde ihm die Weihnachtserzählung von Charles Dickens unter den Weihnachtsbaum legen. Dann weiß er, wie schlimm Scrooge war", der geizige Held der Geschichte, der sich am Ende bessert. Das ist nicht wirklich eine versöhnliche Botschaft. Aber auch Johnson will Corbyn eher noch einmal eins auswischen.
"Ich schenke ihm eine Ausgabe meines brillanten Brexit-Vertrags". Das Publikum johlt, die Moderatorin aber besteht auf einem unpolitischen Geschenk. Und da finden die beiden Hobbygärtner dann doch zusammen: Pflaumenmus, das will Johnson Corbyn schenken.