Wie tief die politischen Gräben zwischen Donald Trump und Joe Biden zwischen den Republikanern und den Demokraten wirklich sind – diese 90 Minuten legten Zeugnis davon ab. Millionen von Zuschauern erlebten einen Präsidenten, der wie entfesselt wirkte, der offenbar nur darauf abzielte, die politische Polarisierung noch weiter anzuheizen, der aggressiv sowohl seinen Kontrahenten wie auch den Moderator unterbrach – Chris Wallace von Fox-News versuchte immer wieder, für Ordnung zu sorgen.
Trump hielt sich an keine Regeln
Während Joe Biden bemüht war, etwa die vereinbarte Redezeit zu beachten, war Donald Trump nicht bereit, sich an die schriftlich zwischen den Parteien verabredeten Vereinbarungen zu halten. Joe Biden versuchte, sich an den Inhalten der sechs Themenfelder zu orientieren. Donald Trump lieferte jedoch weniger Argumente als Unterstellungen und Verschwörungstheorien. Beispiele: Obwohl alle Experten aussagen, dass das Mittel der Briefwahl nicht das Risiko von Wahlfälschung erhöht, beharrt Donald Trump auf systematischem Betrug durch die Demokraten. In ihren Hochburgen würden jeweils zwei Wahlscheine verschickt, behauptete er.
Donald Trump wollte sich nicht dazu äußern, ob er das Wahlergebnis akzeptieren werde, kündigte aber an, im Zweifel bis zum Supreme Court zu ziehen. Statt alle Beteiligten angesichts der gespannten Atmosphäre im Land zur Ruhe und Gewaltfreiheit aufzurufen, appellierte Trump an seine Anhänger, sich in Gruppen vor den Wahllokalen zu sammeln, um den Betrug in den Wahllokalen zu überwache, wie er sagte.
Nicht weniger bedrohlich wirkte Trumps Weigerung, sich von den "White supremacists" und rechtsextremen Milizen zu distanzieren, die sich im ganzen Land formiert haben und die sich von Donald Trump ermuntert fühlen. Die waffenstarrende Miliz der "Proud Boys" forderte Trump sogar auf, sich bereit zu halten.
Joe Biden nannte Trump "einen Clown"
Der Moderator versuchte, die Debatte immer wieder in geregelte Bahnen zu lenken und Joe Biden die Redezeit zu ermöglichen, die ihm zustand. An einer Stelle entgleiste auch Biden, als er sagte, es sei sehr schwierig, sich bei diesem Clown, wie er Trump nannte, Gehör zu verschaffen.
Biden warf Trump vor, beim Ausbruch der Corona-Krise entweder in Panik verfallen zu sein oder nur die Wall Street im Blick gehabt zu haben. Es werde noch viel mehr Corona-Tote geben, wenn Trump nicht endlich klüger vorgehe, sagte Biden. Trump kündigte an, trotz der Corona-Krise seine Wahlkampfveranstaltungen mit Tausenden von Anhängern weiter zu führen. Seine Anhänger wollten hören, was er zu sagen habe, erklärte Trump.
Biden konterte, das sei unverantwortlich, sich über die Abstandsregeln hinwegzusetzen und die Leute sogar zu ermuntern, keine Masken zu tragen. Trump warf Biden vor, angesichts der weiterhin steigen Todes- und Infektionsrate das Land wieder schließen zu wollen, um damit auch der Wirtschaft zu schaden. Er hingegen wolle das offenhalten.
Donald Trump behielt über die 90 Minuten konsequent seine Klientel im Blick, die über ihren kultartig verehrten Präsidenten hellauf begeistert sein dürfte. Allerdings darf bezweifelt werden, dass er damit zusätzliche Stimmen derer gewonnen hat, die er für einen Wahlsieg braucht – die Stimmen aus den wichtigen Vorstädten etwa oder die Stimmen der Frauen. Joe Biden führt in den Umfragen stabil mit sieben Prozent und liegt auch in etlichen Swing-States bei über 50 Prozent. Man wird abwarten müssen, ob diese Debatte etwas an diesem Trend verändern wird.