Najla Shawa ist mit ihrem Mann Jason in ein Gartencafé in Gaza-Stadt gekommen, ein wenig verspätet, wie die junge Frau später lachend einräumen wird: In ihrem Hochhaus kehrte nicht - wie gewohnt - um zehn Uhr der Strom für einige Stunden zurück; sie mussten den Weg vom oberen Stockwerk zu Fuß zurücklegen, der enge Zeitplan - dahin. Ein Ausschnitt ihres Lebens, das die in Amerika studierte Najla per Twitter an ihre derzeit knapp 14.000 Follower weiterzugeben versucht. Sechs Monate nach dem letzten Gaza-Krieg fasst sie die Stimmung im palästinensischen Küstenstreifen so zusammen:
"Es gibt keine Hoffnung, es ist außerordentlich deprimierend. Es wird jeden Tag schlimmer. Allein nur wenn man weiß, dass bis jetzt Menschen vertrieben sind, die Wohnungen sind nicht wieder aufgebaut sind, mit der Wirtschaft geht es immer weiter bergab, und es gibt für niemanden die Möglichkeit, voranzukommen."
Ihren Twitter Account hatte sich Najla bereits 2010 eingerichtet, doch erst mit dem ägyptischen Aufstand gegen Mubarak ein Jahr später habe sie Feuer gefangen, ließ während der dramatischen Umsturzwochen ihr Handy kaum mehr aus den Augen. Twitter, so die junge Akademikerin, gewinne stets in Krisen- und Kriegszeiten eine überragende Bedeutung. Als es im November 2012 zu einer achttägigen Konfrontation zwischen der Hamas und Israels Armee kam, habe sie dies deutlich gespürt:
"Ich habe während dieser Zeit - es war nur ein achttägiger Krieg, wenn es so nennen will - 3.000 bis 4.000 weitere Follower bekommen."
Je dramatischer, desto besser
Es seien überwiegend Leute, die an der Region sehr interessiert seien, die am Schicksal der 1,8 Millionen Menschen im Gaza-Streifen teilhaben wollten. Allerdings, so Najla weiter, "wenn immer wir normale Sachen schreiben, kümmert das niemanden. Sie lesen es vielleicht, aber sie retweeten niemals normale Sätze. Wenn man etwas über eine Bombe oder eine Explosion schreibt - das wird sofort retweetet, zigmal. Okay, das ist wohl die Natur des Menschen. Je dramatischer man ist, desto öfter wird man retweetet. Das ist traurig, aber wahr."
Twittern sei für sie ein Mittel, um mit dem bedrückenden Alltag besser zu Recht zu kommen, den erzwungenen Einschränkungen, und – dem Krieg vom Sommer letzten Jahres. Da habe ihr der Zuspruch von außen sehr geholfen, räumt Najla ein, die eine kleine Tochter hat:
"Sie schreiben, schauen morgens nach, wie es einem geht. Ich wachte immer morgens auf und las die ganzen Tweets: 'Geht's Dir gut, Gaza? Was ist los? Halt uns auf dem Laufenden!"
"Trolle" wünschen ihr das Schlimmste
Doch wie alle Nahost-politisch-Interessierten, die auf Twitter posten, haben Najla und ihr Mann Jason Bekanntschaft mit "Trolls" gemacht, Online-Gegnern, die einem das Schlimmste an den Hals wünschen würden. In ihrem Fall seien das Leute, "die so gut wie keine Follower haben, zwei, drei oder fünf, maximal zehn, die darauf bestehen, einen anzugreifen: "Gaza-Palästinenser: Ihr habt unrecht. Ihr verdient es zu sterben. All solche Sachen."
Anfang dieses Monats sorgte die Entführung und Folterung von Mohammed Omer durch eine Salafisten-Gruppierung in Gaza für Entsetzen unter Online-Aktivisten wie Najla: Mohammed, ein junger palästinensischer Journalist, dem über 30.000 Leute auf Twitter folgen, war vor seinem Haus entführt und acht Stunden so schwer misshandelt worden, dass er im Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt im Koma auf der Intensivstation liegt. Gefoltert von einer Gruppe, die sich dem Terrornetzwerk Islamischer Staat zurechnet.
Najlas Ehemann Jason, dessen Mutter Britin ist und der im Ausland gelebt und studiert hat, versucht, ruhig die Lage einzuordnen: "Wenn wir beiden twittern, dann verwenden wir keine schlechte Sprache. Wir versuchen sachlich zu bleiben. Bislang ging das ganz gut. Das wird sich nicht ändern, nicht dramatisch ändern."
"Ich bin besorgter als er. Die Ereignisse der letzten Wochen, der Fall des Journalisten Mohammed Omer, der entführt und gefoltert worden ist - ich mache mir Sorgen in diesen Zeiten, in denen die interne Sicherheitslage hier in Gaza unklar ist. In dem Moment, in dem die Dinge außer Kontrolle geraten - und das werden sie - können Leute wie wir davon betroffen sein."