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"Die große Übersetzungsbewegung"
Twitter-Account entlarvt pro-russische Propaganda in China

In Chinas sozialen Medien ist die Stimmung für Putin. Eine Gruppe chinesischer Aktivistinnen und Aktivisten will die pro-russische Propaganda für die Welt sichtbar machen - mit Hilfe von Übersetzungen.

Von Pia Behme | Ming Shi im Gespräch mit Sören Brinkmann |
Menschen in Hongkong schauen auf mehrere Fernsehbildschirme, auf denen Putin zu sehen ist.
Fernsehbildschirme in Hongkong zeigen die Nachrichten am ersten Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Vincent Yu)
Chinas Haltung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine war zu Beginn noch undurchsichtig. Immer deutlicher zeichnet sich jedoch eine pro-russische Position ab. Chinesische Staatsmedien übernehmen teilweise die Propaganda des Kremls und in den sozialen Netzwerken dominiert eine Pro-Putin-Stimmung.
Ukraine-Krieg: Wie berichten chinesische Medien? - Kollegengespräch mit Benjamin Eyssel
Medien wie auch Online-Plattformen werden von Chinas Regierung stark zensiert und zeigen daher mehr die offizielle Linie als die Meinungen der chinesischen Bürgerinnen und Bürger. "Diese ‘Binnen-Propaganda’, mit der die Stimmung innerhalb Chinas beeinflusst werden soll, soll aber nicht für das Ausland zugänglich sein", sagt der Journalist Ming Shi . "Zum Beispiel, wenn Putin befürwortet wird, will man nicht, dass das Ausland mitbekommt, dass die Chinesen so gehässige Worte finden. Das würde dem chinesischen Ruf schaden." Gleichzeitg gibt es laut Ming Shi eine Außen-Propaganda, von der die Chinesinnen und Chinesen im Land nichts mitbekommen.

Der Welt zeigen, was in China vor sich geht

Um die pro-russische Propaganda in den sozialen Medien für die Welt sichtbar zu machen, hat eine größtenteils anonyme Gruppe "The Great Translation Movement" ins Leben gerufen - also "Die große Übersetzungsbewegung". 
Hinter der Übersetzungsbewegung steht laut Ming Shi ein Teil der chinesischen Diaspora. Viele Medienschaffende seien nach der Übernahme Hongkongs durch China nach Kanada geflohen. Aber auch der innerchinesische Widerstand könne jetzt aktiv werden. "Das sind Leute, die sich im Internet gerne gegen die Regierungsposition geäußert hätten, aber keine Gelegenheit hatten. Durch die Übersetzungsbewegung haben sie jetzt eine."
Die Aktivistinnen und Aktivisten sammeln Posts, die russische Kriegsaktivitäten unterstützen und übersetzen sie ins Englische, Spanische, Japanische, Koreanische und weitere Sprachen. Ihr Twitter-Account, auf dem sie die Übersetzungen veröffentlichen, hat seit März über 100.000 Follower gewonnen.

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Gleichzeitig übersetzt die Gruppe Reaktionen aus dem Ausland auf China ins Chinesische und platziert sie auf WeChat, dem chinesischen Pendant zu WhatsApp. "Es ist also eine Gegenbewegung zur Informationskriegsführung der chinesischen Regierung", sagt Ming Shi.

Zensur wird schwieriger

Die Gruppe selektiert allerdings auch selbst: Pro-ukrainische Stimmen werden nicht übersetzt. Die wurden anfangs ohnehin von der Regierung aus den sozialen Medien gelöscht. Nachdem internationale Reaktionen auch ins Chinesische übersetzt wurden und die Chinesen daher nun wüssten, dass der Westen zum Teil verärgert ist, hätten manche selbst angefangen, pro-ukrainische Positionen in China zu beziehen, so Ming Shi. "Merkwürdigerweise hatte die chinesische Regierung nicht den Mut, diese Stimmen wieder sofort zu zensieren, denn dann würden sie genau das bestätigen, worauf die Übersetzungsbewegung abzielt.”
Die Zensur funktioniere natürlich weiterhin, so Ming Shi. “Aber sie hat durch die Übersetzungsbewegung die größten Schwierigkeiten, die man sich vorstellen kann.”