Archiv

"Two Play To Play"
DJ trifft auf Leipziger Gewandhausorchester

Beim Projekt "Two Play To Play" arbeiten Musiker des Gewandhausorchesters und Stefan Streck alias The Micronaut zusammen. Ein lehrreiches Projekt für beide Seiten - und auch für das Publikum. Das konnte durch öffentliche Proben und einen Blog miterleben, wie die Zusammenarbeit ablief.

Von Manuel Rademacher |
    Stefan Streck alias "The Micronaut" bei Proben zu "Two Play To Play"
    Stefan Streck alias "The Micronaut" bei Proben zu "Two Play To Play" (Postrach/Rothe )
    "Also ich hab zwei Sampler, die sind so mit elektronischen Beats bestückt. Dann hab ich drei Synthesizer auf der Bühne stehen. Von denen laufen so die Flächen und auch die Lied-Sounds ab, und auch Bässe und so. Am Ende ist das so ein bisschen mein Studio, meine Studiogeräte, die hab ich einfach hier her geholt. Ja dann so ein paar Effekte noch für die Gitarre. Ich sag immer, das ist so mein Spielplatz, eine Spielwiese. Am Ende sind das alles so elektronische Klangerzeuger."
    Es ist ein etwas unübliches Set-Up an Instrumenten, das Stefan Streck alias The Micronaut auf der Bühne des Mendelsohn-Saales im Gewandhaus aufgebaut hat. Der Musiker und Komponist trifft als Akteur der freien Szene in Leipzig beim Projekt "Two Play To Play" auf Musiker des Gewandhausorchesters.
    Musikalische Ansprechpartnerin ist für Streck die Bratschistin Thalia Petrosian. Sie hat weitere Musikerinnen aus dem Orchester für das Projekt zusammengesucht - zwei Geigerinnen, eine Cellistin, einen Klarinettisten und einen Trompeter. Das Ensemble um Petrosian beginnt den Abend zunächst mit, für das Gewandhaus, gewohnten Klängen: Ludwig van Beethovens Adagio in F-Dur, komponiert für eine Spieluhr.
    Proben zu "Two Play To Play"
    Proben zu "Two Play To Play" (Postrach/Rothe )
    "Wenn man elektronische Musik nimmt als Konzept: was sind die Ideen da drin? Für mich sind Konzepte wie Mechanismus und Wiederholung da drin und diese Konzepte hat man auch mit einer Spieluhr, mit einem Spieluhrgerät. Und deswegen habe ich gedacht, es wäre schön, wenn wir diese Spieluhr oder ein Werk für eine Spieluhr, wenn wir damit dieses Werk anfangen. Und dann nimmt Stephan einige Motive aus diesem Werk und das Stück dann entwickelt sich, die Musik entwickelt sich."
    Eine für sich schöne, dramaturgische Idee, die zugleich wieder ein wenig verpufft, wenn sie von den gänzlich un-mechanischen Gewandhausmusikern gespielt wird – und eben nicht von einer Spieluhr. Dennoch: der Gedanke eines Brückenschlags zwischen den Welten wird deutlich. Außerdem macht die in Tempo und Ausdruck freie Interpretation des Beethoven-Stücks hörbar, welche Schwierigkeiten auftreten, wenn analoge auf digitale musikalische Welten treffen. "Wir spielen nie streng im Takt" erklärt dazu Thalia Petrosian, Stefan Streck aber ist mit seinen elektronisch erzeugten Klängen fest an einen Beat gebunden. Und überhaupt, wie sprechen Künstler mit solch unterschiedlichen Hintergründen gemeinsam über Musik?
    "Der erste Schritt war schon eine gemeinsame Sprache zu finden, wo wir dann über Musik und mehr über diese Soundwelt reden konnten. Als Gewandhausmusiker reden wir von Tonart, von Takt, von Rhythmus, von Artikulation und so weiter. Und für Stefan ist die Sprache mehr… Es geht mehr um Sound."
    Große musikalische Erfahrung
    Stefan Streck bringt große musikalische Erfahrung mit sich. Der gebürtige Rostocker hat in Punkbands gespielt, Ambient- und Filmmusik geschrieben und ist seit vielen Jahren in der Welt der elektronischen Musik zu Hause. Ein Musikstudium hingegen hat er nie absolviert und tritt so den künstlerischen Austausch im Gewandhaus mit gänzlich anderem Handwerkszeug an.
    "Wir haben uns das erste Mal bei mir im Studio getroffen und ich hab denen was vorgespielt und die sollten das hören und nachspielen. Das wäre auch möglich gewesen, aber alle nur so: 'nee, wir brauchen eine Partitur, um das spielen zu können.' Und da war ich so, also jetzt grob gesagt: 'Was ist eine Partitur?' Und dann, ja, so über Umwege mit so Midi-Programmen, die das dann umgewandelt haben in eine Partitur und dann hatte ich das ausgedruckt und dann standen da aber keine Vorzeichen drauf und da war ich so: 'Was ist ein Vorzeichen?' Also ich hab bei Null angefangen, also da sind Welten aufeinander gestoßen."
    Lehrreich war das Projekt aber nicht nur für Stefan Streck. Auch das Publikum konnte durch mehrere, öffentliche Proben und einen medial reichbestückten Blog miterleben, wie die Zusammenarbeit zwischen den Künstlern vonstatten ging. Und nicht zuletzt betont Thalia Petrosian auch einen großen Lerneffekt für die Gewandhausmusiker.
    "Was wir hier in der Klassikwelt machen: wir haben das trainiert, wir lernen wie man Noten schreibt, usw. Aber auf der anderen Seite sieht man bei Stefan, obwohl er nicht unbedingt Noten lesen kann, dass er trotzdem eine musikalische Sprache entwickeln kann und das ist für uns sehr interessant. Man sieht schon, ja, es gibt auch andere Möglichkeiten eine musikalische Sprache zu entwickeln und sich auszudrücken. Das ist sehr interessant auf jeden Fall, ja."
    Austausch öffente Augen und Ohren
    Diesen musikalischen Austausch, der auf beiden Seiten Augen und Ohren öffnet, beschreibt der Pressesprecher des Gewandhauses, Dirk Steiner, als Ursprungsidee von "Two Play To Play", das im letzten Jahr in die Fußstapfen der Vorgänger-Konzertreihe "Audio Invasion" getreten ist.
    "Die Audio-Invasion war ja ein Abend, an dem zwei musikalische Welten eine friedliche Koexistenz hier im Haus führen, sag ich mal. Also da war einerseits das Große Concert des Gewandhausorchesters zu Beginn und dann wurde das gesamte Haus auf verschiedenen Floors geöffnet für Elektromusik, Pop, alles aus diesem Bereich. Es gab aber künstlerisch bzw. musikalisch-kompositorisch nie eine Verbindung. Also jede Welt stand für sich. Das hat auch super funktioniert. Es gab aber auch immer wieder die Idee zusagen, die beiden auch tatsächlich auf kompositorischer Ebene zu verbinden."
    Eine gelungene Umsetzung dieses Grundgedankens konnte man im letzten Jahr bei der erstmaligen Ausgabe von "Two Play To Play" beobachten. Im Pianisten und Komponisten Martin Kohlstedt und dem Gewandhaus Chorleiter Gregor Meyer fand sich ein künstlerisches Paar, dass kreative Potentiale entfalten und gemeinsam Neues entwickeln konnte. In diesem Jahr lag die kompositorische Arbeit hingegen weitestgehend bei The Micronaut - und so beschränkte sich der Austausch mehr auf ein Kennenlernen und Einblickegewähren, als auf ein gemeinsames Schaffen. Stefan Streck erzeugt reiche, musikalische Welten cineastischen Ausmaßes, gelegentlich eintönig aber auch immer wieder mit reizvollen kompositorischen Einfällen. Die Exzellenz der Gewandhausmusiker kam dagegen leider nur selten zum Vorschein, häufig waren sie nicht viel mehr als eine kammerorchestrale Begleitung von Strecks flächen- und beatlastiger Musik.
    Dennoch: "Two Play To Play" bleibt ein erfolgreiches Projekt, dass es schafft, ein junges, interessiertes Publikum ins Gewandhaus zu locken, ohne dabei gewollt jugendlich zu wirken.