Archiv

U-Ausschuss zum Maut-Debakel
"Scheuer verrennt sich immer mehr"

Ein Untersuchungsausschuss soll das Vorgehen von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im gescheiterten Maut-Verfahren prüfen. Scheuer selbst habe nicht genug aufgeklärt, sagte der FDP-Politiker Oliver Luksic im Dlf. Sollten sich die Vorwürfe gegen ihn bestätigen, wäre er als Minister nicht mehr haltbar.

Oliver Luksic im Gespräch mit Stefan Heinlein |
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) (picture alliance/ dpa/ Michael Kappeler)
Die Opposition im Bundestag hat erwirkt, dass ein Untersuchungsausschuss das Vorgehen von Verkehrsminister Scheuer bei der gescheiterten Pkw-Maut prüft. Man habe mit den Grünen und den Linken das Gespräch gesucht und sich auf einen Untersuchungsgegenstand verständigt, erklärte FDP-Politiker Oliver Luksic. Zwar seien die Unterschiede in der Verkehrspolitik groß. "Aber der Sache wegen, ist es notwendig, hier zusammenzuarbeiten." Es gelte zwar auch in diesem Fall die Unschuldsvermutung, doch wenn sich alle Vorwürfe bestätigen sollten, wäre Scheuer nicht mehr im Amt zu halten, so Luksic.
"Auf Risiko gespielt"
Zwar sei Scheuer nicht alleinverantwortlich für das Maut-Debakel. Er habe aber im Gegensatz zu seinem Vorgänger Alexander Dobrint (CSU) nicht das Urteil des Europäischer Gerichtshofs abgewartet, sondern auf Risiko gespielt. Scheuer habe mit den Mautanbietern einen Vertrag abgeschlossen, der katastrophal sei.
Luksic kritisierte auch die EU-Kommission. Sie habe bei der Entscheidung ebenfalls keine gute Rolle gespielt. Scheuer habe aber am Ende aber selbst als Minister entschieden - darüber müsse man jetzt diskutieren, so Luksic. Man hätte den Untersuchungsausschuss nicht gebraucht, wenn der Verkehrsminister von Anfang an eingene Fehler eingeräumt hätte, betonte Luksic. Scheuer sorge nicht für maximale Transparenz. "Er verrennt sich immer mehr."

Stefan Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt Oliver Luksic. Er ist verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
Oliver Luksic: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Es gibt keine Koalition in der Opposition, Herr Luksic. Warum machen Sie dennoch mit Grünen und Linken, Ihren direkten politischen Konkurrenten, gemeinsame Sache gegen Verkehrsminister Scheuer?
Luksic: Die Unterschiede in der Verkehrspolitik sind in der Tat groß zwischen den genannten Parteien. Aber der Sache wegen ist es notwendig, hier zusammenzuarbeiten. Die AfD findet die Ausländermaut instinktiv erst mal gut, hat scheinbar kein Problem mit 500 Millionen Euro Steuerverschwendung. Insofern haben wir mit Grünen und Linken das Gespräch gesucht und uns nach langen Verhandlungen auf einen gemeinsamen Untersuchungsgegenstand geeinigt und auch gestern die notwendigen Unterschriften für einen U-Ausschuss gesammelt.
"Scheuer ist im totalen Verteidigungsmodus"
Heinlein: Haben Sie auch ein gemeinsames Ziel, FDP, Grüne und Linke, den Sturz, den Rücktritt von Andreas Scheuer?
Luksic: Auch Herr Scheuer hat ein Stück Unschuldsvermutung. Wenn sich all das bestätigt, was wir vermuten, für das wir sehr starke Indizien haben - dass er wirklich selber die Entscheidung getroffen hat, trotz Bedenken in seinen Behörden und Ministerien, und beispielsweise auch die Betreiber ihm angeboten haben, die Maut zu verschieben, und er sie sogar dann noch aufgefordert hat, die Unwahrheit zu sagen. Wenn sich all dies so bestätigen sollte, dann wäre er, glaube ich, wirklich nicht mehr im Amt zu halten. Man kann es ja auch den Bürgerinnen und Bürgern nicht erklären, dass es bei solchen Fehlentscheidungen, die zu solch immens hohen Kosten führen können, keine politischen Konsequenzen gibt. Jeder in der Wirtschaft müsste ja bei sehr viel geringeren Schadenssummen auch seinen Hut nehmen.
Heinlein: Wir haben Minister Scheuer gerade im Bericht von Nadine Lindner noch einmal gehört. Bösartig sei sie, die Opposition, so hat er erklärt, und er sieht diesen Untersuchungsausschuss umgekehrt aber auch als Chance zur Versachlichung und zur Aufklärung. Herr Luksic, wie groß ist Ihre Zuversicht, dass Andreas Scheuer tatsächlich jetzt tatkräftig an der sachlichen Aufarbeitung, an der Aufklärung im Untersuchungsausschuss mitarbeiten wird?
Luksic: Das nehme ich als Kompliment, wenn die Opposition kritisiert wird. Es ist unser Job, kritische Fragen zu stellen. Deswegen hake ich hier auch ein, weil es um so immens hohe Beträge geht und ich mich auch als Anwalt des Steuerzahlers und des Rechtsstaates verstehe. Wir hätten den Untersuchungsausschuss auch gar nicht machen müssen, wenn Herr Scheuer von Anfang an mal eigene Fehler eingeräumt hätte. Nach einer kurzen Welle der Empörung hätte sich das Thema abgeebbt. Aber er selber ist ja im totalen Verteidigungsmodus. Alle anderen sind schuld. Er stellt es ja sogar so dar, dass er gar nicht die Maut einführen wollte, sondern alle anderen Parteien, was ja diametral anders herum war. Zum zweiten: Abgesehen davon, dass er keine Fehler einräumt, räumt er keine maximale Transparenz ein. Er hat ja nur nach ständigem Drängeln und Hinterherfragen erste Ordner geliefert.
Scheuer hält einen Aktenordner hoch und zeigt mit dem Zeigerfinger darauf. Um ihn herum werden Mikrofone der Sender gehalten.
PKW-Maut - Offenbar höhere Ausgaben als bislang angenommen
Laut einem Bericht des Magazins "Focus" soll noch deutlich mehr Geld in die geplante PKW-Maut geflossen sein als bisher angenommen. Der Europäische Gerichtshof hatte das Projekt im Juni gestoppt.
Verdacht, dass Scheuer etwas bewusst verbergen will
Heinlein: Immerhin 50 Stück!
Luksic: Genau! Dann fehlten welche, dann kamen wieder welche hinterher, und wir haben jetzt noch weiterhin eine Reihe an Fragen gestellt, zu denen wir bis heute keine Informationen haben. Es gibt zum Beispiel zu ganz vielen Themen keine Ministervermerke, was sehr merkwürdig ist, weil im BMVI zu allem Akten produziert werden. Es gibt die sogenannten Aufklärungsgespräche mit den Betreibern. Zu denen haben wir auch keine Unterlagen bekommen. Da hat er letzten Freitag medial verkündet, er sei rechtlich dazu nicht gezwungen. Der Wissenschaftliche Dienst hat mir ein Gutachten erstellt, dass er nach Vergaberecht dazu verpflichtet ist, dies zu dokumentieren. Wieder mal hört er hier nicht auf die unabhängigen Experten im Bundestag, die ihm ja damals auch schon abgeraten haben von der Maut. Er wollte damals ja den Wissenschaftlichen Dienst auflösen lassen. Er verrennt sich immer mehr und wir hätten uns den U-Ausschuss sparen können, wenn er selber proaktiv aufgeräumt und aufgeklärt hätte.
Heinlein: Haben Sie den Eindruck, da lagern im Verkehrsministerium, im Büro von Andreas Scheuer noch die entscheidenden Akten? Verbirgt er etwas ganz bewusst? Ist das Ihr Verdacht?
Luksic: Das ist mein Verdacht. Gerade was das Thema Aufklärungsgespräche angeht, ist es sehr unglaubwürdig, dass es dazu keine Vermerke gibt. Es gibt zu allem Vermerke. Das ist auch rechtlich notwendig, weil so was ex post ja kontrolliert wird vom Rechnungshof. Es muss ja auch rechtlich, wenn jemand eine Klage dagegen macht, dazu Vermerke geben. Es gibt zum Beispiel eine Vergabestelle des BMVI, wo wir relativ starke Indizien dafür haben, dass diese auch Bedenken gehabt haben. Entweder wurden die Kollegen, die Beamten genötigt, dazu keinen Vermerk zu machen, weil es vielleicht unangenehm geworden wäre, oder es gibt Vermerke, die nicht an den Bundestag geliefert wurden. Aber im Untersuchungsausschuss werden die zuständigen Beamten uns Auskunft geben müssen. Insofern werden wir sie da vorladen. Ich hatte schon mal im Ausschuss Fragen gestellt. Da hat der Minister verboten, dass diese beantwortet werden. Das wird jetzt nicht mehr funktionieren.
Vermerke in den Akten "rechtlich verpflichtend"
Heinlein: Sie bemängeln die mangelnde Dokumentation von Gesprächen. Nun, Herr Luksic, ist Ihre Partei, die FDP, ja immer für den Abbau von Bürokratie. Ist das nicht ein bisschen viel Bürokratie, wenn ein Minister jedes Gespräch, jede Silbe in Verhandlungen mit Unternehmen, mit der Wirtschaft, mit politischen Parteien dokumentieren muss, Wort für Wort?
Luksic: Das muss er nicht bei jedem Termin machen. Aber hier ist das rechtlich vorgegeben, weil es einfach so ist bei Aufträgen, dass so was ex post kontrolliert werden muss. Das ist keine Erfindung der FDP, sondern eine Rechtsvorschrift im Vergaberecht, im Vergabeverfahren, der Paragraph acht, weil einfach es im Nachhinein klar sein muss, wie der Staat Entscheidungen gefällt hat. Es geht ja hier um ein Auftragsvolumen von zwei Milliarden Euro und es gab auch andere Konsortien, die Interesse hatten, die Maut zu betreiben. Und die wollen natürlich auch im Nachhinein kontrollieren, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist. Auch der Rechnungshof wird dies ja tun. Insofern ist das eine rechtliche Verpflichtung – nicht zu allem, aber zu den Themen, wo es um grundlegende Fragen ging der Ausgestaltung der Maut. Und das war mit Sicherheit der Fall, wenn Herr Scheuer sich mit den Spitzen von Eventim oder Kapsch trifft. Wenn die Konzernchefs extra eingeflogen kommen, dann wird es ja nicht nur um einen Kaffeeklatsch gegangen sein. Davon kann man doch ausgehen.
Heinlein: Herr Luksic, ist der Verkehrsminister aus Ihrer Sicht der allein Verantwortliche für dieses Maut-Debakel und alles, was daran hängt? Oder hat hier ein ganzes Ministerium, vielleicht sogar das ganze Kabinett versagt? Hätte die Kanzlerin ihrem Minister besser auf die Finger schauen sollen?
"Scheuer hat am Schluss selbst entschieden"
Luksic: Ich glaube, da gibt es eine ganze Reihe an Punkten, die man ansprechen muss. Herr Scheuer hat die Maut nicht allein erfunden. Das ist eine Idee aus dem bayerischen Bierzelt, die leider den Weg ins Bundesgesetzblatt gefunden hat. In der 17. Wahlperiode war Herr Scheuer schon Staatssekretär. Damals wollte Ramsauer eine andere Form der Maut einführen. Die FDP hat das damals abgelehnt. Die SPD und auch die CDU sind leider umgefallen, die waren ja auch immer gegen die Maut, so dass sie dann in der 18. Wahlperiode, in der letzten, den Weg ins Gesetzblatt gefunden hat. Herr Scheuer hat aber im Gegensatz zu seinem Vorgänger Herrn Dobrindt nicht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs abgewartet. Herr Dobrindt hat immer gesagt, wir müssen warten, bis die Gerichte entscheiden, und Herr Scheuer hat die Nerven verloren.
Heinlein: War das politisch naiv, Herr Luksic, oder dilettantisch?
Luksic: Er hat auf Risiko gespielt. Wir haben ja ein Gutachten erstellt und man muss sich das so vorstellen: Das ist wie wenn man ins Kasino geht, 50:50-Chance, Schwarz oder Rot, und er hat sich da jetzt verzockt und hat auch, da es nur noch einen Betreiber gab, einen Vertrag abgeschlossen, der katastrophal ist mit immens hohen Schadensersatzzahlungen. Zum einen ist die Frage: Die SPD hat übrigens die Vertragsunterzeichnung damals als vorfrüh kritisiert. Auch die Kanzlerin hat ja eine Richtlinienkompetenz, die man infrage stellen muss. Aber übrigens auch die Europäische Kommission – da muss ich jetzt mal minimal Herrn Scheuer verteidigen -, da hatte ja die Beamtenebene massive Einwände. Aber es war am Schluss Herr Selmayr, die rechte Hand von Herrn Juncker, der das politisch aus dem Weg geräumt hat. Da hätte man besser auf die Fachebene, auf die Juristen gehört. Auch die EU-Kommission hat da keine gute Rolle gespielt. Wir wissen, dass es aus den Behörden heraus auch eine Reihe an Bedenken im Prozess gab. Das KBA zum Beispiel. Aber Herr Scheuer hat am Schluss quasi selber als Minister entschieden, und darüber werden wir genau streiten. Meiner Meinung nach hat er das selber entschieden, dass jetzt unbedingt noch im Herbst letzten Jahres die Maut kommen muss.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.