Archiv


Ude: Merk ist Belastung für Bayerns Regierung

Christian Ude (SPD) hat der bayerischen Justizministerin Beate Merk im Fall Gustl Mollath Versagen vorgeworfen. Sie sei mit dem Thema instinkt- und taktlos umgegangen und habe erst spät eine Kehrtwende vollzogen. Das habe das Vertrauen in die Justiz schwer beschädigt.

Christian Ude im Gespräch mit Rainer Brandes |
    Jürgen Liminski: Gustl Mollath ist frei, sein Verfahren wird neu aufgerollt. Mehr als sieben Jahre hat es gedauert, bis seine Anwälte ihn endlich aus der Psychiatrie heraus bekamen. Ins Rollen kam der Fall aber erst, als die Öffentlichkeit Notiz davon nahm und so Gerichte und Politik in Bedrängnis brachte. Mein Kollege Rainer Brandes hatte gestern Abend Gelegenheit, den bayerischen Spitzenkandidaten Christian Ude dazu zu befragen. Seine erste Frage lautete: Ist Bayern also doch ein funktionierender Rechtsstaat?

    Christian Ude: Also Bayern ist selbstverständlich ein Rechtsstaat und die bayerische Justiz hat diesen Fall auch zu einem vorläufig guten Ende gebracht. Was vorher geschehen ist, gab allerdings schon Anlass zur Sorge. Da war eine Schlamperei in der Justiz zu beobachten, die extrem befremdet hat, und dann eine Rechthaberei, die geradezu beklemmende Züge angenommen hat. Dass hier ein Mensch auf wackliger Rechts- und Sachlage sieben Jahre seiner Freiheit beraubt worden ist, wurde dadurch unerträglich in den Hintergrund gedrängt. Wir sind froh, dass die öffentliche Kritik offensichtlich einen Meinungswandel herbeigeführt hat, und alle die Tatsachen, die der Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag zutage gefördert hat, müssen jetzt auch bei der Wiederaufnahme des Verfahrens angemessen berücksichtigt werden und es darf keinen Richter mehr geben, der wegen Arbeitsüberlastung nicht dazu kommt, die Gutachten zu lesen, oder der mit vorgefertigten Meinungen in die Entscheidungssituation hineingeht.

    Rainer Brandes: Aber wenn Sie von unerträglichen Zuständen sprechen, sind zumindest Teile der bayerischen Justiz korrupt oder arbeiten nicht ordentlich?

    Ude: Letzteres, das nicht ordentlich gearbeitet, muss man natürlich bestätigen. Sonst wäre ja die Wiederaufnahme des Verfahrens auch nicht richterlich angeordnet worden. Mit Korruption oder Verschwörungstheorien hat das zunächst einmal gar nichts zu tun. Das, was unzweifelhaft geschehen ist, ist schon schlimm genug. Hier ist Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz schwer beschädigt worden und es ist gut, dass die bayerische Justiz selber die Notbremse gezogen hat. Es wäre eine schreckliche Blamage gewesen, wenn wir wieder einmal das Bundesverfassungsgericht gebraucht hätten, um dem Recht Geltung zu verschaffen. Kurios finde ich allerdings, dass die bayerische Staatsregierung in Gestalt des großen Verwandlungskünstlers Horst Seehofer jetzt als Spitze der "Freiheit für Gustl Mollath-Bewegung" auftritt. Ich glaube, die Bayern haben ein gutes Gedächtnis, wie unglücklich das Agieren der Staatsregierung tatsächlich gewesen ist. Und wenn jetzt die Justizministerin sich als Befreierin von Gustl Mollath feiern lassen will, dann lachen in ganz Bayern die Hühner.

    Brandes: Sie haben die Justizministerin Beate Merk ja immer wieder für diese Fehler in der bayerischen Justiz verantwortlich gemacht und ihren Rücktritt gefordert.

    Ude: Nein! Darf ich nur ganz gelinde korrigieren? Ich mache selbstverständlich die Justizministerin nicht für Fehler der Justiz verantwortlich. Als Freund und Anhänger und Kenner der Gewaltenteilung weiß ich, was Sache der Justiz ist und was Sache der Politik ist. Und natürlich ist für Fehlentscheidungen der Justiz die Justiz verantwortlich. Aber der Justizministerin ist ein sehr instinktloser Umgang mit dem Thema, auch ein taktloser Umgang mit dem Opfer zu bescheinigen, was sie ja offensichtlich auch selber erkannt hat, weil sie eine Kehrtwende in den letzten Tagen versucht hat.

    Brandes: Wenn ich Sie da kurz unterbrechen darf? In diesem Fall haben Sie ja auch immer wieder ihren Rücktritt gefordert. Fordern Sie das weiterhin? Muss Beate Merk zurücktreten?

    Ude: Sie hat Anlass gegeben, Zweifel an ihrer Kompetenz im Umgang mit so schwierigen Fällen zu zeigen, und deswegen meine ich, dass sie zur Belastung dieser Staatsregierung geworden ist. Aber wenn der Ministerpräsident diese Belastung behalten will, dann kann er das die letzten Wochen seiner Amtszeit ruhig tun.

    Brandes: Die Grünen wollen ja einen neuen Untersuchungsausschuss im Landtag nach der Wahl installieren, weil sie diesen Fall noch nicht völlig aufgeklärt sehen. Schließen Sie sich dem an?

    Ude: Das ist eine Entscheidung der Landtagsfraktion. Aber nachdem schon der erste Ausschuss so viel zutage gefördert hat, was man sich vorher nicht vorstellen konnte, sehe ich auch enormen Aufklärungsbedarf und da kann ein Untersuchungsausschuss in der Tat das angemessene Instrument sein.

    Liminski: Der bayerische Spitzenkandidat Christian Ude im Gespräch mit meinem Kollegen Rainer Brandes.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.